DG PARO stellt S3-Leitlinien vor

Historischer Moment



Für die DG PARO ist es ein „historischer Moment“: Nach jahrelanger Kommissionsarbeit gemeinsam mit einer Vielzahl anderer Fachgesellschaft stehen die neuen S3-Leitlinien, die Empfehlungen geben für das häusliche mechanische Biofilmmanagement in der Prävention parodontaler Erkrankungen, das häusliche chemische Biofilmmanagement in der Prävention und Therapie der Gingivitis sowie für die adjuvante systemische Antibiotikagabe bei subgingivaler Instrumentierung im Rahmen der systematischer Parodontitistherapie.

Am Ende entscheidet der Zahnarzt

DG PARO-Chef Prof. Dr. Christof Dörfer betonte, dass diese Leitlinien die Versorgungsqualität von elf Millionen Patienten erheblich zu verbessern helfen, da ein konsequentes Biofilmmanagement die Prävention auf deutlich breitere Füße stelle. Eine umfangreiche und systematische Auswertung der Literatur mit Definition von praxisrelevanten therapeutischen Endpunkten und ein breiter Konsens einer repräsentativen Gruppe von Anwendern habe die Erstellung ermöglicht. Vertreter von 15 Fachgesellschaften, der BZÄK, der KZBV sowie das AWMF-Institut waren beteiligt. Damit gebe es für die Behandler Sicherheit, da zur Leitlinienerstellung die höchste Qualitätsstufe der Entwicklungsmethodik S3 mit streng formalisiertem Vorgehen angewandt wurde. Dörfer unterstrich aber auch, dass dies „nur“ Empfehlungen seien, die aber die Vielfalt der Patientenfälle nicht vollständig abbilden könnten. Dörfer: „Daher entscheidet am Ende immer der Zahnarzt.“

In die Empfehlungen zum mechanischen häuslichen Biofilmmanagement flossen evidenz- und konsensbasierte Ergebnisse ein. Zentrale Empfehlung hier ist: Elektrische Zahnbürsten führen zu einer statistisch signifikanten, aber nur geringfügig größeren Reduktion von Gingivitis gegenüber Handzahnbürsten. Gute Ergebnisse erzielen oszillierend-rotierende Geräte, für die allerdings auch mehr Studien vorliegen. Wichtig hierbei sei eine Patienten-Instruktion, wie und wohin man die Zahnbürste halten sollte.
Für die Zwischenraumreinigung haben Interdentalbürsten Priorität, Zahnseide ist gut, aber schwieriger zu handhaben. Für die Implantatreinigung gelten exakt die gleichen Erkenntnisse. Übertriebenes Reinigen könne zu Schäden an Schleimhaut und Hartgewebe führen. Auf frühe Traumatisierungszeichen seit besonders zu achten.

Chlorhexidin und ätherische Inhaltsstoffe wirksam

Die Empfehlungen des chemischen Biofilmmanagements erläuterte Prof. Dr. Nicole Arweiler. Sie sei als Ergänzung zum mechanischen Biofilmmanagement anzusehen – „…und man braucht es“, wie sie hinzufügt. Entzündungen, auch chronische seien oftmals alleine durch Zähneputzen nicht zu verhindern. Im internationalen Raum gebe es noch keine Leitlinie dazu, was die Arbeit noch einmal erschwert habe, betonte Arweiler. Ein Meta-Review habe ergeben, dass Chlorhexidin zu empfehlen ist, wenn die mechanische Reinigung schwierig ist – etwa bei liegenden Nähten. Hier empfehlen sich laut der Leitlinie Chlorhexidin (CHX-)Lösungen in 0,1- bis 0,2-prozentiger Konzentration und 1-prozentige Gele an. Dies sei durch Studien  und mit hoher Evidenz nachgewiesen. In der Langzeitverwendung und als Ergänzung zur täglichen mechanischen Mundhygiene seien niedrig dosierte Chlorhexidin-Lösungen (z.B. 0,06-prozentig) geeignet. Zudem sei eine hohe Effektivität bei hohem Evidenzgrad vor allem für ein Produkt mit einer  Mischung aus ätherischen Inhaltsstoffen nachgewiesen und demnach zu empfehlen. Spüllösungen mit den Wirkstoffen Aminfluorid/Zinnfluorid oder Cetylpyridiniumchlorid hätten eine kleine bis moderate Effektivität bei geringem bis moderaten Evidenzgrad gezeigt. Generell, so betonte Arweiler, sollten „Spüllösungen sollen nur in Ergänzung zur mechanischen Pflege verwendet werden“.

Antibiotikagabe einschränken

Die Leitlinie zur adjuvanten systemischen Antibiotikagabe erläuterte Prof. Dr. Ulrich Schlagenhauf. Grund für diese Leitlinie sei „natürlich“ die erhebliche Resistenzentwicklung. Die Leitlinie empfehle die Antibiotikatherapie vor allem für zwei kleine Patientengruppen: junge Patienten mit rasch fortschreitender Erkrankung (früher als aggressive Parodontitis, jetzt als „Grad C-Parodontitis“ klassifiziert) und ältere, chronisch kranke Patienten mit Taschentiefen von mehr als 5 mm. Konkret: Haben jüngere Patienten an mehr als 35% der erfassten Messstellen eine TST größer als 5 mm, sollte eine Antibiotikagabe erfolgen. Voraussetzung für die Antibiotikagabe sei immer eine genaue Befunderhebung mit sorgfältiger Dokumentation.
Dosiert werden sollte Amoxicillin 500 mg und Metronidazol 400 mg jeweils 3/d für sieben Tage. Azithromycin habe ebenfalls eine ausreichende Evidenz, ist aber in Deutschland nicht zum Einsatz im Mund zugelassen – „…wäre also ein Off-label-use“, wie Schlagenhauf anfügte.

EFP initiiert weitere Leitlinien

Prof. Dr. Moritz Kebschull als Leitlinien-Beauftragter der DG PARO, erläuterte abschließend den immensen Aufwand, den diese Leitlinienerstellung hervorgerufen hat. Finanziert wurde dieser Aufwand durch unabhängige Gelder der DG PARO sowie der DGZMK. Damit habe man die vollständige Unabhängigkeit von anderen, vor allem Industrie-Einflüssen sicherstellen können. Kebschull verwies darauf, dass diese Leitlinienarbeit der DG PARO bewirkt habe, dass es nun auf europäischer Ebene Leitlinieninitiativen gebe, die von der Europäischen Föderation für Parodontologie (EFP) mit ihren 30 Mitgliedsnationen koordiniert werden.

Wissenschaftsprogramm

Im Wissenschaftsprogramm identifizierte PD Dr. Dr. Markus Schlee, Forchheim, die Fixation und die Immobilität der Mukosa als wichtigste Faktoren für ein erfolgreiches periimplantäres Weichgewebsmanagement. Zwar sei die Evidenz dieser Aussage niedrig, doch das sei eher auf die Qualität der wissenschaftlichen Daten zurückzuführen als auf die klinischen Fakten. Schlees Take-Home-Message lautete: Eine ausreichend dicke und befestigt periimplantäre Mukosa wirkt sich positiv auf die periimplantäre Gesundheit, die Langzeitstabilität und die Ästhetik aus.

Zwei Live-Operationen

Am Samstagnachmittag operierten Prof. Dr. Frank Schwarz und Prof. Dr. Dr. Bilal Al-Nawas, begleitet von einem Fernsehteam, das die Eingriffe live in die Kongressräume übertrug. Schwarz zeigte eine chirurgische Kombinationstherapie einer fortgeschrittenen Periimplantitis in der ästhetischen Zone. Al-Nawas implantierte bei einem Patienten, der exakt vor einem Jahr – ebenfalls als Live-OP auf dem Zahnärztetag gezeigt – eine CBR mit Titanium Mesh erhielt.

Gut besuchte id Mitte  

Bis zum Ende der zweitägigen Fachmesse drängten sich die Besucher in den Gängen der Frankfurter Messehalle 5. Die Aussteller zeigten sich zum Abschluss sowohl mit der Zahl der Besucher als auch mit den Geschäftsabschlüssen sehr zufrieden.