Zahnerhaltung

Recht: Wann ist eine Behandlung mit Kofferdam durchzuführen?

Ob und wann eine Behandlung mit Kofferdam durchzuführen ist, richtet sich nach den Besonderheiten des Einzelfalls und vor allen Dingen nach den zahnmedizinischen Vorgaben. Juristen können eine Beurteilung immer nur zahnmedizinisch vornehmen. Ändert sich die zahnmedizinische Ansicht, passen die Juristen ihre Rechtsprechung entsprechend an, wobei grundsätzliche Haftungsfragen regelmäßig unberührt bleiben. Einer dieser Grundsätze lautet, dass eine Behandlung stets unter Einhaltung der erforderlichen Sorgfalt sowie unter Meidung von Risiken für die Gesundheit des Patienten zu erfolgen hat.


Ändern sich die zahnmedizinische Ansichten, passen Juristen ihre Rechtsprechung entsprechend an. Grundsätzliche Haftungsfragen bleiben aber regelmäßig unberührt. © Weissblick/fotolia


Ein Kofferdam dient unter anderem dazu, ein Verschlucken oder Einatmen von Kleinteilen zu vermeiden. Bereits im Jahre 1952 hatte sich der BGH (Urteil vom 27.11.1952, Az. VI ZR 25/52) mit einem Fall zu befassen, in dem ein Patient eine Nervnadel verschluckt hatte, nachdem der Behandler keine Sicherungsmaßnahmen vorgenommen hatte. Der BGH kam zu dem Schluss, dass – selbst wenn man das Weglassen von besonderen Sicherungsmaßnahmen nicht als Behandlungsfehler einstuft – bei einer Verletzung der Gesundheit des Patienten ein Verschulden des Zahnarztes mindestens in der Form der Fahrlässigkeit gegeben ist. Der BGH führte aus: „Bei der Zahnbehandlung mit Kleininstrumenten besteht stets die Gefahr, daß diese Instrumente den Fingern des Behandlers entgleiten, in den Schlund gelangen und verschluckt oder eingeatmet werden, und zwar auch dann, wenn diese Instrumente von erfahrenen Zahnbehandlern gehandhabt werden. Diese Gefahr kann durch Anwendung von Sicherungsmaßnahmen sehr wesentlich herabgemindert werden. …

Der Zahnbehandler setzt sich dem Vorwurf der Fahrlässigkeit aus, wenn er sie unterlassen hat.“ Selbst wenn die konkrete Sicherheitsmaßnahme nicht zahnärztlicher Standard ist und die Erforderlichkeit in der Wissenschaft umstritten ist, könne es zu einer Haftung des Zahnarztes kommen, wenn sich das Risiko verwirklicht.

Zahnarzt haftet nicht immer

„Herrscht aber Streit darüber, welches Maß von Vorsicht zur Verhütung von Schäden bei der Behandlung notwendig ist, so hat der Arzt im allgemeinen die größere Vorsicht zu beobachten, wenn er nicht fahrlässig handeln will …, denn der Kranke darf verlangen, dass der Arzt alle, auch entfernte Verletzungsmöglichkeiten in den Kreis seiner Erwägungen zieht und sein Verhalten bei der Behandlung des Patienten hiernach einrichtet … Deshalb kann auch der Arzt, wenn er die in seinem Tätigkeitsbereich erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen hat, sich nicht darauf berufen, dass er die übliche Sorgfalt angewendet habe.“

Es ist nun aber nicht so, dass ein Zahnarzt grundsätzlich haftet, wenn der Patient Teile verschluckt oder einatmet. Insbesondere die neuere Rechtsprechung folgt dem BGH von 1952 in dieser sehr strengen Form nicht. So lässt sich auf die Leitsätze zu dem Urteil des OLG Düsseldorf vom 16.12.1993 (Az. 8 U 127/91) verweisen:
„Wenn beim Einsetzen und Anpassen von Primärteleskopkronen eine dieser – bei einem Hustenstoß des Patienten – in dessen Mundhöhle gelangt und von ihm eingeatmet wird, ist dies dem behandelnden Zahnarzt nicht vorwerfbar. Bei der prothetischen Behandlung kann dem Verschlucken oder Einatmen von Zahnkronen nicht durch Sicherheitsmaßnahmen vorgebeugt werden, insbesondere sind diese Risiken durch eine besondere – liegende – Lagerung des Patienten nicht auszuschließen.“

Wichtiger Leitsatz

Bemerkenswert ist auch der Leitsatz zum Urteil des LG Dortmund vom 11.11.2009 (Az. 4 S 192/08): „Wenn der Patient den provisorisch eingebrachten Zahnersatz verschluckt, behält der Zahnarzt seinen Vergütungsanspruch ohne Neuherstellung, es sei denn der Patient beweist, dass ihn an dem Verschlucken kein Verschulden trifft.“

Lässt man den Kofferdam weg, wenn er ratsam wäre, sollte der Patient unbedingt über das erhöhte Risiko aufgeklärt werden und sein Verzicht auf den Kofferdam schriftlich fixiert werden. Es ist zu beachten, dass die Notwendigkeit, mit Kofferdam zu arbeiten, stets objektiv und für Haftungsfälle und Erstattungsfälle gleich zu beantworten ist. Streitet man über die Erstattung des Kofferdams und argumentiert über die womöglich sogar zwingende Notwendigkeit, sollte man stets die Gegenfrage stellen, ob das der für einen Haftungsfall geltende Maßstab wäre.Im jeweiligen Einzelfall wird stets der vom Gericht beauftragte Sachverständige für die konkrete Situation beurteilen, ob ein Kofferdam zahnmedizinischer Standard gewesen wäre.

Dr. Susanna Zentai
ist Medizinanwältin in der Kanzlei Dr. Zentai – Heckenbücker in Köln und als Beraterin sowie rechtliche Interessenvertreterin (Zahn-)Ärztlicher Berufsvereinigungen tätig.
kanzlei@d-u-mr.de

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