Zahnarzt als Dienstleister

Dienstleistungsmarketing in der Zahnarztpraxis: Hierauf kommt es an!

Eine Zahnarztpraxis agiert nicht im luftleeren Raum, auch Dentalpraxen unterliegen Markt- und Marketingregeln. Wer seine zahnmedizinische Kompetenz optimal vermitteln möchte, der sollte die Grundregeln des Dienstleistungsmarketings kennen.



Etwas über 70 Prozent der Erwerbstätigen in Deutschland sind im Dienstleistungssektor tätig. Das heißt, sieben von zehn arbeiten auf einer Bank oder als Koch, sind als Flugbegleiter oder Marketingberater tätig oder kümmern sich als Physiotherapeut oder Zahnarzt um das Wohl ihrer Patienten.

Das Heilwesen wird denn auch von der Bevölkerung immer öfter als Gesundheitsdienstleistung verstanden und seltener als Medizinwissenschaft. Gründe für diese veränderte Wahrnehmung gibt es viele: Die minimalinvasive Chirurgie etwa, bei der der Patient rasch wieder nach Hause entlassen wird, oder neue Geschäftsmodelle, wie beispielsweise jene Zahnarztklinik in der Kölner Innenstadt, die von 7 Uhr bis 22 Uhr geöffnet hat, und zwar sieben Tage die Woche.

Zahnmedizin – ein Teil des Dienstleistungssektors

Auch die Zahnmedizin ist Teil des Dienstleistungssektors, und somit bestehen durchaus Parallelen zum Kauf eines Konzerttickets oder zur Buchung einer Kreuzfahrt. Denn wie bei allen Dienstleistungen fehlt auch bei der Dentalmedizin die physische Evidenz und Unmittelbarkeit. Diese Eigenschaften mögen offensichtlich und banal klingen, sind jedoch alles andere als bedeutungslos. Denn auch heute noch scheint der Tauschhandel tief in der Mentalität der Menschen verankert zu sein. Dieses „Ich gebe dir, dafür gibst du mir …“ funktioniert beim Produktmarketing bestens: Als Gegenleistung für sein Geld erhält man beim Obsthändler frische Erdbeeren, im Apple Shop ein neues iPhone und bei Peek & Cloppenburg eine seidene Krawatte, und das unmittelbar. Doch was bekommt man vom Zahnarzt außer dem Versprechen, dass alles besser wird?

Versprechen materialisieren

Immer mehr Menschen buchen ihren Urlaub über das Internet: die Boardingkarte druckt man zu Hause aus, das Hotel reserviert man mittels einer App. Und trotzdem, allein die deutsche DER-Touristik betreibt in der Bundesrepublik 2100 Reisebüros, die auch weiterhin ihre Kundschaft bedienen. Wie kann das sein? Wer die langerwünschte Traumreise nach Thailand unternehmen möchte, holt gerne Rat von einem Profi ein. Da reicht ein Onlinereiseportal eben nicht aus. Genau genommen verkaufen Reisebüros ihren Kunden auch nur das Versprechen auf einen tollen Urlaub. Ähnlich wie die Zahnarztpraxis, die ihren Patienten eine bessere Gesundheit zusichert. Die Profis in den Reisebüros wissen jedoch genau, wie man das Fehlen von Fassbarkeit und Unmittelbarkeit kompensiert. Deshalb kann ein Reisebüro ein durchaus interessantes Vorbild für das Patientenberatungsgespräch in der Zahnarztpraxis sein.

Auf Augenhöhe

Kaum betritt man ein Reisebüro, wird man eingeladen, Platz zu nehmen und es sich bequem zu machen. Schließlich sollen die Kunden sich wohlfühlen und entspannt beraten lassen. Die Tourismuskauffrau sitzt dem Kunden gegenüber und nimmt sich Zeit. Je zuvorkommender der Kunde behandelt wird, desto bereitwilliger bucht er eine Reise, auch wenn diese ins Geld geht. „Nehmen Sie doch Platz.“ – Eine Aussage, die im Reisebüro selbstverständlich erscheint, ist es in einer Zahnarztpraxis bei Weitem nicht.

In der Regel finden die Beratungsgespräche mit dem Patienten zwischen Tür und Angel statt, etwa am Empfang oder im Behandlungszimmer. Bei einer einfachen Füllung oder einem routinemäßigen Kontrolltermin mag dies durchaus in Ordnung sein, nicht jedoch bei komplexen und kostspieligen Eingriffen, bei denen der Patient nach ausführlicher Erklärung verlangt.

Für solche wichtigen Gespräche ist die Empfangstheke der Praxis nicht der richtige Ort. Dort ist weder die nötige Diskretion noch die Ruhe gewährleistet, die es für einen überzeugenden Patientendialog braucht. Auch das Behandlungszimmer ist nicht gegeignet für ein entspanntes Gespräch. Finden doch die meisten Patienten dort erst wieder zu sich, wenn sie dem Berhandlungsstuhl entstiegen sind. Zudem: Wie soll sich ein positives Gespräch entwickeln, wenn zur gleichen Zeit die Praxisassistentin den Raum für den nächsten Patienten vorbereitet?

Nur wenige Zahnärzte haben bis jetzt verstanden, wie wichtig ein entspanntes Ambiente für die Akzeptanz von Behandlungsplänen und Kostenberechnungen ist. Diese haben in ihrer Praxis ein kleines Besprechungszimmer eingerichtet. Dort können mit dem Patienten Gespräche auf Augenhöhe geführt werden – gelöst und bequem am Tisch sitzend, ähnlich wie in einem Reisebüro.

Das Angebot materialisieren

Beim Obsthändler kann man die Auslage in die Hand nehmen und etwa die Äpfel miteinander vergleichen. Bei Peek & Cloppenburg kann man die Krawatte befühlen und sich von der Qualität der Seide überzeugen. Bei einer Dienstleistung fehlt hingegen diese Fassbarkeit, und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Das Reisebüro macht diesen Makel mit einer Vielzahl an Katalogen und Hochglanzbroschüren wett, und ist die Reise schließlich gebucht, bekommt man eine Mappe mit sämtlichen Unterlagen, Broschüren und Buchungsbestätigungen in die Hand. Vielleicht gibt es sogar noch Kofferetiketten als Geschenk. Warum tun die Reiseprofis das? Weil sie ihre Dienstleistung materialisieren wollen und der Mentalität des Tauschhandels bewusst entgegenkommen.

Zahnmedizinische Behandlung be-greifen

In der Zahnarztpraxis gibt es eine Vielzahl an Hilfsmitteln, Unterlagen und Dokumenten, die während der medizinischen Behandlung verwendet werden, wobei diese auch bei den Patientengesprächen als Unterstützung eingesetzt werden könnten. Dabei geht es nicht nur um die Patientenbroschüren, die von der Industrie und den Verbänden zur Verfügung gestellt werden, sondern auch um alle anderen Mittel und Möglichkeiten, die dem Patienten helfen, die zahnmedizinische Behandlung im wahrsten Sinne des Wortes besser zu be-greifen.

Das heißt Röntgenbilder und Intraoralaufnahmen ausdrucken und dem Patienten überreichen. Auch Zeichnungen, die als Erklärung auf ein Blatt Papier gekritzelt wurden, bekommt dieser in die Hand. Eine Kopie des Interdental-Bleeding-Index sollte der Patient mit nach Hause nehmen können, so kann er sich diesen an den Badezimmerspiegel hängen. Mag sein, dass der Patient sein Röntgenbild nicht zu interpretieren weiß und dass die Zahnzeichnung abstrakter Kunst ähnelt, doch das ist egal, denn beides hilft dem Patienten trotzdem, die Zahnmedizin besser zu verstehen, zu konkretisieren, zu materialisieren.

Das Personal als Garant

Die fehlende Fassbarkeit von Dienstleistungen kompensiert man nicht nur über entsprechende Hilfsmittel – Reisedokumentation, Sparbuch der Bank, Orthopantomogramm –, sondern vor allem mit der Kompetenz und der Freundlichkeit des Personals. Es ist schließlich ein Mensch, der im Reisebüro Destinationen und Ausflüge vorschlägt, Fragen beantwortet, Zweifel ausräumt und am Schluss den Kunden von der Kreuzfahrt durch die norwegischen Fjorde überzeugt. Bankangestellte und Touristikkaufleute erlernen während ihrer Ausbildungen nicht nur die fachtechnischen Grundkenntnisse, sie werden auch im Umgang mit Kunden geschult: Immer freundlich sein, auch wenn man mit dem linken Fuß aufgestanden ist, oder wie mit Einwänden und Negativäußerungen umzugehen ist.

Die Erkenntnisse aus dem Dienstleistungsmarketing sollten verdeutlichen, dass das Praxispersonal eben nicht nur da ist, um bei den Eingriffen zu assistieren, Krankenakten nachzuführen und Termine zu vereinbaren. Die Mitarbeiter kompensieren mit ihrem Auftreten nicht nur die fehlende Begreifbarkeit einer zahnmedizinischen Behandlung, sondern sie stehen auch als Bürgen für die fehlende Absolutgarantie einer Dentalbehandlung.

Deshalb sollten alle Dentalprofis nicht nur an zahnmedizinischen Weiterbildungen oder an Abrechnungsseminaren teilnehmen, sondern auch mal einen Konversationsworkshop oder einen Rhetorikkurs besuchen. Auch wenn es dafür keine CME-Punkte gibt, ist eine solche Weiterbildung doch der richtige Weg, um den Eigenheiten des Dienstleistungsmarketings in der Zahnarztpraxis Rechnung zu tragen.

Daniel Izquierdo Hänni
ist Marketing- und Kommunikationsprofi, Referent und Autor im Bereich der Zahnmedizin und Gründer von www.swissdentalmarketing.com .
info@swissdentalmarketing.com