Expertenzirkel

Implantologie: Welches System ist das richtige?

Mehr als 100 Implantatsysteme werden allein in Deutschland angeboten. Und zu jeder IDS kommen weitere dazu. Nicht nur die Oberfläche, das Design und die Aufbauvielfalt bilden Qualitäts- und Unterscheidungsmerkmale, sondern auch biomechanische Aspekte. Wie findet man das richtige System? Der aktuelle Expertenzirkel bietet Entscheidungshilfen.



Die Anforderungen an eine Implantat-Abutment-Verbindung sind vielfältig. Sie muss unter kaufunktioneller Belastung dicht sein, die notwendigen Festigkeitsanforderungen erfüllen und die Beanspruchungen des Knochens möglichst gering halten, um das Remodelling günstig zu beeinflussen. Zusätzlich sollte das Handling möglichst einfach sein.

Gibt es die „ideale“ Implantat-Abutment-Verbindung?

Von See: Es gibt zurzeit etliche gute Systeme, die einen kompetenten Kraftschluss zwischen Implantat und Aufbau ermöglichen. Ich sehe aber ein langfristiges Problem in der biologischen Interaktion zwischen der Innenverbindung auf der einen sowie dem Hart- und Weichgewebe auf der anderen Seite. Dies scheint noch nicht bis ins Detail verstanden, geschweige denn „ideal“ gelöst zu sein.

Abramowski: Letztlich treffen Implantologen oder Prothetiker ihre Wahl nach individuellen Vorlieben, Handlichkeit und Einfachheit ihre Systemwahl.

Welche Rolle spielt dabei die Indikation?

Günther: Sie kann natürlich zur Entscheidung beitragen, genauso wie die Insertionsstelle. Eine gute Implantat-Abutment-Verbindung lässt sich aber in jeder Regio bei jeder Indikation verwenden.

Drei Verbindungstypen lassen sich unterscheiden: Flachverbindungen wie Standard Außenhex-Verbindungen,  stark konische Verbindungen mit Konuswinkeln < 15 Grad und mittlere konische Verbindungen mit Konuswinkel von zirka 45 Grad.

Haben Sie einen Favoriten?

Streckbein junior: Für mich sind mittlere konische Implantat-Abutment-Verbindungen mit 45-Grad-Konuswinkeln zurzeit das Optimum. Diese Verbindung kann die beiden relevanten Parameter Mikrospalt und Knochenbelastung auf ein physiologisches Maß reduzieren. Die Ergebnisse unserer gemeinsamen Untersuchung mit der Hochschule Koblenz gerade in Bezug auf diese Parameter sind unlängst im Journal of Dental Research publiziert worden.

Bitte charakterisieren Sie die Hauptverbindungstypen nach Kriterien der Biomechanik.

Flach: Stark konische Verbindungen weisen zwar unter kaufunktionellen Kräften keinen Mikrospalt auf (Abb. 10), führen aber durch den Keileffekt des Konus während der Belastung zu Zusatzbeanspruchungen im Implantat, die sich bei geringen Wandstärken des Implantats auf den Knochen übertragen können (Abb. 8, 9, 11).

Wann macht sich dieser Keileffekt bemerkbar?

Flach: Vor allem bei Implantaten im Durchmesserbereich ≤ 4 mm. Das liegt an der meist geringe Wandstärke solcher Implantate.

Was kann helfen?

Flach: Mittlere konische Verbindungen. Sie vereinen die günstigen Eigenschaften der Flachverbindung mit denen der stark konischen Verbindungen:

  • Sie weisen unter kaufunktioneller Belastung, wie bei stark konischen Verbindungen, keinen Mikrospalt auf.
  • Sie zeigen, wie die Flachverbindungen, keine Zusatzbeanspruchungen für Implantat und Knochen durch den Keileffekt.
  • Der mittlere Konuswinkel ist unter dem Aspekt der Festigkeit günstiger als stark konische Verbindungen. Die Vermeidung der Zusatzbeanspruchungen wirkt sich zusätzlich günstig auf die Implantatfestigkeit aus.

Nicht nur die richtige Verbindung hat Einfluss auf die Primärstabilität, auch das Gewindedesign. Auf welche Kriterien kommt es in diesem Zusammenhang an?

Streckbein senior: Bei der jeweiligen Wirkung unterschied‧licher Schraubenausführungen auf ihre Umgebung existiert leider viel semantische Unsicherheit. Unterschieden wird zwischen selbstschneidenden, nicht spanabtragenden Schrauben (selbstkondensierend) und selbstschneidenden, spanabtragenden Schrauben. Diese Nuancen im Design sind allerdings nicht so bedeutend wie die Größenordnung der Vorbohrung. Diese Vorbohrung entscheidet hauptsächlich darüber, ob eine gute Stabilität mit vertretbaren Drehmomenten erreicht werden kann. Betrachtet man unter diesen Voraussetzungen die heute favorisierten konischen, schraubenförmigen Implantate, wird man in Analogie feststellen, dass man für die selbstschneidende Insertion einer nicht spanabtragenden Implantaform eine etwas größere Vorbohrung anlegt als für die selbstschneidende Insertion einer spanabtragenden Implantatform. Der Unterschied im knöchernen Implantatlager ergibt sich dadurch, dass bei der nicht spanabtragenden Gewindeform der Knochen leicht nach lateral verdrängt wird, während er bei der spanabtragenden Form während des Eindrehvorgangs aus dem Lager geschnitten und in die Nut eingelagert wird, wie das bei Gewindeschneidern bekannt ist. Dieser von seiner Umgebung vollständig gelöste Knochen heilt allerdings in der Regel im Rahmen des Remodelings wieder ein.

Das klingt kompliziert.

Streckbein senior: Richtig – und um nicht jedes Mal die langatmigen Attribute bemühen zu müssen, wie sie die Normungshandbücher von Schrauben vorsehen, bezeichnet der Dentalmarkt beide Gewindenuancen als selbstschneidend und meint damit nur das klinisch relevante Hauptmerkmal, nämlich dass diese Implantate in vielen Fällen ohne Vorschneiden mittels Gewindeschneider einsetzbar sind.

Wann sind die selbstschneidenden Implantate indiziert?

Streckbein senior: Grundsätzlich sind alle selbstschneidenden Implantate bezüglich der Stabilität von Vorteil, etwa bei der Sofortimplantation. Für Fälle mit ausschließlich kortikalen Lagerknochenanteilen bieten alle führenden Implantatsysteme zusätzlich Gewindeschneider an, um das Lager entsprechend vorzubereiten und die Drehmomente bei der Implantation unter Kontrolle zu halten.

Werden sie sich langfristig durchsetzen?

Von See: Ja, denn diese bieten die Möglichkeit, in weichem Knochen die Primärstabilität zu verstärken und gleichzeitig – bei höherer Knochendichte – durch das Vorschneiden eines Gewindes Knochenkompressionen zu vermeiden. Viel entscheidender ist aus meiner Sicht aber die Aufbereitung des Implantatbetts. Dieses Thema wirft im Hinblick auf die Knochenqualität und die daraus entstehenden Osseointegrationsprozesse noch viele Fragen auf. Kurz: Ideal wäre ein Implantat mit einem Gewindedesign, das bei jeder Indikation Anwendung findet.

Herr Dr. Günther, welches Gewindedesign hat aus Ihrer Sicht die größte Zukunft?

Günther: Die Tendenz geht eindeutig zu selbstschneidend und wurzelförmig. Die Implantate sollten allerdings nicht zu stark konisch zulaufen, also einen mittleren Konuswinkel aufweisen, da schließe ich mich den Kollegen an. Etliche Anbieter haben diese Implantattypen ja in den letzten Jahren eingeführt bzw. tun es zurzeit.

Aber nach wie vor inserieren deutsche Zahnärzte auch parallelwandige Implantate – und zwar nicht zu knapp.

Günther: Das ist richtig – und zwar überwiegend in Deutschland.

Im Ausland sind die parallelwandigen Implantate also „out“?

Günther: Mehr oder weniger, jedenfalls lässt sich ein klarer Trend zu wurzelförmigen Systemen ausmachen.

Auf welche weiteren Kriterien kommt es an?

Günther: Beim wurzelförmigen Design muss die Implantatspitze unbedingt abgerundet sein, andernfalls drohen Verletzungen anatomischer Strukturen, z. B. der Schneiderschen Membran oder der Nerven. Ein zusätzliches integriertes Platform-Switching halte ich für wichtig, denn es bietet nachweislich Vorteile beim Erhalt des krestalen Knochens. Bei der Implantatoberfläche favorisiere ich variable Makro- und Mikrostrukturen.

Auch an den Implantatschultern?

Günther: Hier ziehe ich raue, unpolierte Oberflächen und ein durchgängiges Gewinde vor. So kann ein Implantat auch bei minimalem Knochenangebot mit simultanem externem Sinuslift verwendet werden. Im apikalen Bereich sollte ein System eher rau mit starkem Gewinde sein, im Bereich der Implantatschulter zeigt eine weniger raue und weniger starke Gewindeform bei Periimplantitis Vorteile.

Ein Gewindedesign sollte sich an den Anforderungen des Knochens orientieren, heißt es. Auf welche biomechanischen Kriterien kommt es in diesem Zusammenhang besonders an?

Flach: Die Festigkeit des Implantats und die Knochenbeanspruchung lassen sich durch bionisch und damit biomechanisch günstig gestaltete Gewinde deutlich verbessern.

Bitte konkretisieren Sie das.

Flach: Im Bereich der Mikrogewinde lässt sich mit einer bionischen, das heißt mit einer nach den Wachstumsgesetzen der Natur gestaltete Gewindestruktur eine Reduzierung der Knochenbeanspruchung um bis zu 30 Prozent und mehr erzielen. Aber Mikrogewinde ist nicht gleich Mikrogewinde. Und: Die Gestaltung der Mikrogewinde ist aus der biomechanischen Sicht wichtiger als das viel diskutierte Platform-Switching.

Wie meinen Sie das – die Bedeutung des Platfom-Switchings scheint doch allseits akzeptiert …

Flach: Das ist richtig, aber in der Diskussion um das Platform-Switching wird nicht berücksichtigt, dass die Wirkung nur direkt auf der Höhe der Platform-Switching-Stufe erzielt werden kann. Doch liegt der Knochen nur einen halben Millimeter unterhalb dieser Stufe –  und das ist nicht selten –, ist das Platform-Switching biomechanisch wirkungslos.

Bionisch gestaltete Mikrogewinde sind hier deutlich flexibler. Die biomechanisch günstige Wirkung ist über das komplette Mikrogewinde möglich. Langfristig durchsetzen wird sich aus meiner Sicht das Gewindedesign, das die Anforderungen der Biomechanik optimal erfüllt.

Braucht es in diesem Zusammenhang ein neues Studiendesign?

Flach: Definitiv. Um auf diesem Weg weiter voranzuschreiten, müssen die klinischen Studien zum Knochenremodelling auch Angaben über die für das Knochenremodeling wichtigen biomechanischen Parameter enthalten. Dazu muss man die biomechanischen Einflussfaktoren kennen. Idealerweise sollten diese im Studiendesign auch quantitativ berücksichtigt werden. Es gibt dafür leistungsfähige Methoden, die aber in der medizinischen und zahnmedizinischen Ausbildung bisher fehlen.

Wie lässt sich das ändern?

Flach: Nur durch die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Medizin und Ingenieurwissenschaften. Bisherige klinische Studien zum Knochenremodeling nehmen meist nur Bezug auf Mikrospalt und biologische Breite, nicht aber auf die biomechanische Knochenbeanspruchung.

Welche Folgen drohen dadurch?

Flach: Es kann zu Fehlinterpretationen der Studienergebnisse kommen.

Stichwort Sofortimplantation – erfolgsentscheidend ist hier bekanntlich eine ausreichende Primärstabilität und Infektionsfreiheit. Welche Implantattypen bzw. welches Gewinde‧design empfehlen Sie?

Streckbein senior: Es sind dies konische, nicht spanabtragende Implantate. Meine derzeitigen Vorstellungen bezüglich der Einheilungsmodi im knöchernen Lager stützen sich auf eine mittlerweile 30-jährige implantologische Erfahrung. Hiernach wären bei der Sofortimplantation Vorteile zu erwarten, wenn nicht spanabtragende Implantate in einer Extraktionsalveole inseriert werden, da in der Regel nur im apikalen Anteil einer Extraktionsalveole die untersten Gewindeabschnitte eines Implantats in vollen Kontakt zum Knochen gebracht werden können. Dies entspricht etwa den untersten 4–5 Gewindegängen. Das selbstschneidende, nicht spanabtragende Eindrehen führt eher zu einer wünschenswerten lateralen Knochenverdichtung mit guter Primärstabilität. Bei spanabtragenden Implantaten sehe ich durch die vorhandenen Nuten im apikalen Bereich auch eher Nachteile, z. B. dann, wenn nur vier Gewindegänge im Lager verankert werden können und die sonst für Stabilität sorgenden schulternahen Implantatschraubenanteile keinen Knochenkontakt haben. Allerdings erlaubt die derzeitige wissenschaftliche Datenlage hierzu noch keine verläss‧lichen Aussagen (Abb. 7).

Günther: Viel wichtiger als der Implantattyp ist aber die Indikationsstellung. Kein Implantattyp kann eine falsche Indikationsstellung ausgleichen. Und das wird viel zu häufig versucht. Ich bin eher konservativ eingestellt und bevorzuge eine verzögerte Implantation, die deutlich nachhaltiger und vorhersagbarer ist. Falls allerdings eine Sofortimplantation sinnvoll ist, sollte das Implantat lang sein und eine große Primärstabilität aufweisen. Und: Auch hier ist das Bohrprotokoll wichtiger als der Implantattyp. Kurz: Die Sofort-implantation ist weniger abhängig vom Implantattyp als von der Indikation und der chirurgischen Durchführung.

Wie schmal darf ein Implantat sein? Auch diese Frage wird aktuell diskutiert.

Streckbein junior: Es sollte ein zweiteiliges System Verwendung finden, bei dem Verblockungen der Implantate mittels Stegkonstruktionen möglich sind. Hier sind Systeme bis zu einer Reduzierung auf 2,7 mm marktgängig. Eine weitere Reduzierung beinhaltet die Einteiligkeit und damit eine deutliche Einschränkung der Indikation.

Wo liegen die Grenzen der Durchmesserreduzierung?

Von See: Vor allem in der Belastung des Implantats durch laterale und extra‧axiale Kräfte. Dabei helfen die digitalen Verfahren der geführten Implantation und die Simulation der Belastungsrichtung des Implantats die extraaxialen Kräfte gering zu halten. Persönlich denke ich, dass wir derzeit die genauen Grenzen der Mechanik beim Zusammenspiel des Knochens mit dem Implantat noch nicht ausreichend simulieren können. Abschließende Aussagen dazu halte ich für verfrüht. Die genauen mechanischen Zusammenhänge sind hier noch nicht verstanden. Das gilt nicht nur für die Durchmesserreduktion, sondern auch für die kurzen Implantate.

Mit durchmesserreduzierten zweiteiligen Implantaten lässt sich häufig eine Augmentation des Knochens vermeiden. Sie eignen sich daher sehr gut zur minimalinvasiven Behandlung …

Flach: Das ist richtig, aber zweiteilige durchmesserreduzierte Implantate stellen große Herausforderungen an das Implantatdesign. Im Bereich von zweiteiligen durchmesserreduzierten Implantaten kommen aus Festigkeitsgründen nur Flachverbindungen infrage. Aufgrund des geringen Durchmessers sollte das Gewindedesign immer nach bionischen Gesichtspunkten gestaltet werden. Dadurch lassen sich Kerbspannungen im Implantat vermeiden und hochfeste zweiteilige Implantate kleiner als 3 mm im Durchmesser herstellen. Durchmesserreduzierte Implantate sind vor allem im Frontzahnbereich und bei verblockten Konstruktionen im atrophierten Kiefer vorteilhaft einzusetzen.

Was sagen Sie, Herr Dr. Günther?

Günther: Durchmesserreduzierte Implantate sind für mich Implantate mit einem kleineren Durchmesser als ca. 3,2 mm. Diese verwenden wir in unserer Klinik nur als provisorisch inserierte Implantate. Ist der Knochen zu schmal, ist ein schmales Implantat der falsche Weg. Für gute ästhetische und funktionelle Ergebnisse brauchen wir einfach ausreichend Knochen und Weichgewebe. Andernfalls wird augmentiert oder mit entsprechender Knochenoptimierung gearbeitet. Meinen Patienten sage ich dazu, dass man ein Haus auch nicht auf einem maroden Fundament baut. Schmale Implantate mit einem Durchmesser von 3,2 bis 3,5 mm eignen sich für die laterale Frontzahnregion bei bezahnten Kiefern. Ansonsten strebe ich immer Durchmesser von mehr als 3,5 mm an.

Zur Materialfrage: Titanimplantate sind derzeit klarer Goldstandard. Aber etliche, auch namhafte, Hersteller bemühen sich um Zirkonimplantate.

Haben die Vollkeramikvarianten eine Zukunft?

Streckbein senior: Untersuchungen zur Verbesserung der Osseointegration könnten die Indikation von Zirkonimplantaten deutlich verbessern. Studien zu dieser Problematik wurden bereits publiziert (CID 2013 Pardun et al.). Zusätzlich ist die Implantat-Abutment-Verbindung ein noch nicht abschließend optimiertes Problemfeld bei Keramikimplantaten. Derzeit sehe ich noch keine Ablösung des Werkstoffs Titan, was die Zukunft bringt, werden wir sehen.

Von See: Die Entwicklung der Zirkonimplantate ist enorm fortgeschritten. Derzeit sind sie aber aus rein mechanischer Sicht den Titanimplantaten unterlegen, auch wenn natürlich die Entwicklung gerade im prothetischen Bereich ein beachtenswertes Ergebnis zeigt. Inwieweit sich die neuesten Entwicklungen im Bereich der Zirkonoberflächen auf Implantaten positiv auf das langfristige Ergebnis auswirken, bleibt abzuwarten.

Herr Dr. Abramowski, wie beurteilen Sie die Zukunft der Vollkeramikimplantate?

Abramowski: Der echte Durchbruch dauert noch ein wenig. Trotz hervorragender Eigenschaften bei Osseointegration und der hervorragenden Weichgewebeverträglichkeit ist die Stabilität bei Belastung nicht zu vergleichen mit der von Titanimplantaten. Ferner haben wir bei einteiligen Zirkon‧implantaten den Nachteil, dass falsche Positionierungen und insuffizientes Weichgewebe schwer auszugleichen sind. Wenn ein Zirkonimplantat zweiteilig wäre und die gleiche mechanische Stabilität wie Titanimplantate aufwiese, dann ist sicherlich das Zirkonimplantat unbedenklich und uneingeschränkt marktreif. Dann ist es das Implantat der Zukunft.

Braucht es weitere Studien?

Von See: Ja, die Forschungsbereiche an der Hochschule sollten sich unabhängig von der Materialfrage vor allem auf die mechanischen Grundlagen der Interaktion zwischen Knochen und Implantat fokussieren. Durch Verbesserungen der Implantataußengeometrie ließen sich viele Augmentationen vermeiden und die Indikationsbreite für Implantate erweitern. Vor allem im Bereich der Patienten mit Vorerkrankungen sehe ich hier noch ein hohes Potenzial.

Für uns Kliniker und Praktiker sind vor allem die langfristige Vorhersagbarkeit und die klinische Stabilität aus funktioneller und ästhetischer Sicht ein notwendiges Entwicklungsfeld. Hier wünsche ich mir eine engere Verzahnung von Hochschule und Praxis.

Was erwarten Sie von der Industrie?

Von See: Nachdem die Oberflächenbeschichtung von Implantaten mit Wachstumsfaktoren oder anderen bioaktiven Stoffen aus meiner persönlichen Sicht wenig Potenzial bietet, ist darüber nachzudenken, welche Möglichkeiten der schnelleren und sichereren Osseointegration denkbar und realisierbar sind. Dabei wären Verfahren zu erproben, die eine höhere mechanische Belastung bei der Sofortimplantation ermöglichen.

Zusammenfassung

  • Eine gute Implantat-Abutment-Verbindung lässt sich in jeder Regio bei jeder Indikation verwenden.
  • Die mittlere konische Verbindung profitiert von den günstigen Eigenschaften der Flachverbindung und den Vorteilen der stark konischen Verbindung.
  • Selbstschneidende Implantate liegen im Trend und werden sich langfristig durchsetzen. Sie können in weichem Knochen die Primärstabilität erhöhen. Ideal wäre ein Implantat mit einem Gewindedesign für die häufigsten Indikationen.
  • Ein Gewindedesign sollte sich möglichst an den Anforderungen des Knochens orientieren. Bionische Gewindestrukturen reduzieren die Knochenbeanspruchung um 30 Prozent.
  • Aktuelle Studien zum Knochenremodeling nehmen vor allem Bezug auf den Mikrospalt und die biologische Breite und lassen die biomechanische Knochenbeanspruchung außer Acht. Das birgt die Gefahr von Fehlinterpretationen der Studienergebnisse.
  • Langfristig werden sich nur Implantate durchsetzen, die sowohl die Sofortimplantation als auch das zweizeitige Vorgehen erlauben.
  • Durchmesserreduzierte Implantate sind eine große Herausforderung für ein zweiteiliges System. Es kommen nur Flachverbindungen infrage. Das Gewindedesign sollte nach bionischen Gesichtspunkten gestaltet sein, um Kerbspannungen zu vermeiden.
  • Die Entwicklung der Zirkonimplantate ist enorm fortgeschritten. Der echte Durchbruch lässt noch auf sich warten.

Die Experten

Dr. Stefan Günther
studierte Zahnheilkunde in Münster und ist seit 2010 in der Zahnklinik Essen am Elisabethkrankenhaus tätig. Seit 2013 fungiert der Oralchirurg dort auch als Gesellschafter und Fortbildungsreferent. Er ist Referenzanwender verschiedener Implantatsysteme und seit 2006 als Autor und Referent aktiv.
Kontakt: stefan.guenther@zahnklinik-essen.de

Dr. Dr. Philipp Streckbein
ist Oberarzt der Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie der Universität in Gießen. Gemeinsam mit seinem Vater ist er zusätzlich im Institut für zahnärztliche Implantologie in Limburg tätig. Seine klinischen und wissenschaftlichen Schwerpunkte liegen in der Dysgnathiechirurgie und der Implantologie.
Kontakt: anmeldung@izi-online.de

Dr. Dr. Roland Streckbein
Der ehemalige Präsident der Deutschen Gesellschaft für Implantologie (DGI) ist seit 1978 in Limburg niedergelassen. Seit 1999 entwickelt er mit dem Institut für zahnärztliche Implantologie Instrumente und Implantate, die auch bei schwierigen Kieferverhältnissen eine sichere Implantatversorgung ermöglichen.
Kontakt: anmeldung@izi-online.de

PD Dr. Constantin von See
studierte Zahnmedizin in Göttingen und ist seit 2008 Wissenschaftlicher Mitarbeiter der Medizinischen Hochschule Hannover. Seit 2008 veröffentlichte er mehr als 50 wissenschaftliche Publikationen und ist national und international als Referent tätig. An der Hamburger Zahnklinik MEDECO leitet er das Fortbildungszentrum.
Kontakt: zhha@medeco.de

Dr. Philip Abramowski M.SC.
studierte Zahnmedizin in Bonn und ist seit 2005 in der Zahnklinik des Elisabethkrankenhauses Essen AG tätig, seit 2008 als Gesellschafter. Er ist Referenzanwender verschiedener Implantatsysteme und engagiert sich in der zahnärztlichen implantologischen Fortbildung.
Kontakt: info@zahnklinik-essen.de

Prof. Dr.-Ing. Matthias Flach
studierte theoretischen Maschinenbau in Siegen und promovierte auf dem Gebiet der Lebensdauer von Schienenfahrzeugen. Seit 2003 hat er eine Professur an der Hochschule Koblenz im Fachbereich Ingenieurwesen für Mechanik und Mechatronik inne. Unter anderem untersucht er die Knochenbeanspruchung um Zahnimplantate.
Kontakt: flach@hs-koblenz.de