Rezessionsdeckung

Im Vergleich: Porcine Kollagenmatrix vs. Bindegewebstransplantat

Sowohl mit Bindegewebsersatzmaterial als auch mit autologem Bindegewebstransplantat lassen sich mittels Tunneltechnik vollständige Rezessionsdeckungen erzielen. Auch nach 27 Monaten sind die Weichgewebsverhältnisse stabil, wie das Fallbeispiel zeigt. Im Interview erklärt Dr. Navid Jalilvand das konkrete Vorgehen step by step.


Kollagenmatrix

Abb. 1a (Fibro-Gide) Ausgangssituation: Rezession des Typs 1 (RT1) am Zahn 13 bzw. Zahn 23 bei der gleichen Patientin (Split-mouth-Design). © Jalilvand


Sowohl mit Bindegewebsersatzmaterial als auch mit autologem Bindegewebstransplantat (BGT) lässt sich eine vollständige Rezessionsdeckung erzielen. Wann ist was indiziert?

Jalilvand: Gegenwärtig kommen das BGT und Kollagenmatrizes sowohl bei der periimplantären Weichgewebsverdickung als auch bei der Deckung gingivaler Rezessionen zum Einsatz, wobei das BGT als Goldstandard gilt. Allerdings erfordert die Entnahme des BGT die Notwendigkeit eines Zweiteingriffs am seitlichen Gaumen, wobei die Operationszeit verlängert wird, ein potenzielles Risiko für intra- und postoperative Nachblutungen an der Entnahmestelle entsteht und die Patientenmorbidität insgesamt steigt [1,2]. Außerdem ist bei multiplen Rezessionen die Verfügbarkeit des palatinalen Spendergewebes oft limitiert, weswegen wiederholte Eingriffe notwendig werden, um ein stabiles Ergebnis zu erzielen [3]. Um die beschriebenen Komplikationen und Nachteile der BGT-Entnahme zu umgehen, wird zunehmend der Ersatz von BGT durch eine Kollagenmatrix in Erwägung gezogen.

Bindegewebsersatzmaterialien, speziell eine porcine Kollagenmatrix, gibt es schon lange – was ist das Besondere an Fibro-Gide?

Jalilvand: Bei der Kollagenmatrix Geistlich Fibro-Gide handelt es sich um eine hochporöse und 3D volumenstabile quervernetzte Kollagenmatrix porcinen Ursprungs. Die Kollagenmatrix ist hochgradig biokompatibel, zeigt eine hohe mechanische Stabilität und eine gute Weichgewebeintegration. Insgesamt zeigt sich klinisch eine komplikationsfreie und exzellente Wundheilung.


Wie unterscheidet sich das Handling vom autologen BGT? Wie genau gehen Sie bei der Anwendung vor?

Jalilvand: Nach Präparation des Empfängerbetts mittels der modifizierten koronal verschobenen Tunneltechnik (Abb.2a/2b und Abb. 3a/3b) werden zunächst die Dimensionen der zu deckenden Rezessionen mit einer Parodontalsonde erfasst. Dann erfolgt die Anpassung der Geistlich Fibro-Gide an die gemessenen Dimensionen. Da das Material im Gegensatz zum BGT starr und spröde ist, sollte es in trockenem Zustand mit einer Skalpellklinge auf einer sterilen Unterlage (siehe Abb. 5a) auf eine maximale Dicke von 3 mm getrimmt werden. Das Einführen und die Fixierung der Geistlich Fibro-Gide in bzw. am Tunnellappen lässt sich, wie im vorliegenden Fall beschrieben, mittels Positionierungsnähte realisieren (Abb.6a). Im nächsten Schritt erfolgt mit Hilfe von Umschlingungsnähten die Koronalverschiebung des Tunnellappens inklusive der Geistlich-Fibro-Gide (Abb.7a).

Wie viel Zeit hat man dafür?

Jalilvand: Nur wenige Minuten, da die Geistlich Fibro-Gide sich rasch schwammartig mit Blut vollsaugt und dadurch ihre Starrheit verliert, weswegen hierdurch eine Fixierung mit Nähten erschwert wird.

Die Patientenakzeptanz für Rezessionsdeckungen ist seit Einsatz porciner Kollagenmatrizes signifikant gestiegen. <span class="su-quote-cite">Dr. Navid Jalilvand</span>

Was wäre eine Alternative?

Jalilvand: Ich verzichte inzwischen auf die Nähte, bringe die Geistlich Fibro-Gide in trockenem Zustand mit dem einen Ende in den Tunnellappen, warte wenige Sekunden, bis sie sich langsam mit Blut vollsaugt, und schiebe sukzessive den Rest mit Tunnellierungsmessern in den Tunnellappen vor. Ist die Geistlich Fibro-Gide komplett im Tunnel, schmiegt sie sich aufgrund ihrer Adhäsionsfähigkeit dem Tunnellappen an und braucht nicht weiter mit Nähten fixiert zu werden. Im nächsten Schritt erfolgt mit Hilfe von Umschlingungsnähten die Koronalverschiebung des Tunnellappens inklusive der Geistlich-Fibro-Gide.

Inwieweit beeinflusst die Applikation einer porcinen Kollagenmatrix die Wundheilung?

Jalilvand: Die hohe Porosität der Geistlich-Fibro-Gide – mehr als 90 % Porenvolumen – ermöglicht das rasche Einwachsen von Blutgefäßen und Wirtszellen in die Matrix und stabilisiert das Blutkoagulum [4]. Aufgrund der Saugfähigkeit dient die schwammartige Kollagenmatrix als optimale Leitschiene in der Weichgewebe-Proliferationsphase. Ebenso zeigen In-vivo-Studien eine gute Integration in das umliegende Weichgewebe unter Erhalt der Stabilität [4]. Nach ungefähr sechs Monaten wird die Kollagenmatrix zu 97 % abgebaut [5] und durch neu entstandenes Bindegewebe ersetzt.

Setzen Sie die Kollagenmatrix anstelle eines autologen BGT vor allem in der Parodontalchirurgie ein oder haben Sie auch Erfahrungen mit Geistlich Fibro-Gide in der Implantologie sammeln können?

Jalilvand: Wir setzen die Geistlich Fibro-Gide bei uns in der Praxis auch zur periimplantären Weichgewebsverdickung simultan zur Implantation ein mit bislang ausgezeichneten Resultaten.


Kann und sollte Fibro-Gide aus Ihrer Sicht langfristig autologe Bindegewebstransplantate ersetzen?

Jalilvand: Das wäre sicherlich wünschenswert, insbesondere aus Patientensicht. Meine bisherigen Erfahrungen zeigen, dass diese Kollagenmatrix das Potenzial hat, in vielen Indikationen das BGT zu ersetzen.

In welchen Fällen bevorzugen Sie noch das autologe BGT? Sprich: Wann ist Fibro -Gide kontraindiziert?

Jalilvand: Besteht das Risiko, dass die Geistlich Fibro-Gide nicht vollständig durch den Lappen abgedeckt werden kann, gebe ich dem BGT den Vorzug und verzichte auf die Kollagenmatrix eher.

Welche Studien belegen den Erfolg von Fibro-Gide?

Jalilvand: Geistlich Fibro-Gide wurde über zehn Jahre in zahlreichen In-vitro-, präklinischen und klinischen Modellen im Vergleich zu autologen Transplantaten getestet und zeigt im Zusammenhang mit periimplantärer Weichgewebsverdickung überzeugende mechanische und biologische Eigenschaften [6]. In einer Tierstudie von Thoma et al. konnten mit dem finalen Matrixprototyp vergleichbare Ergebnisse hinsichtlich Volumenzugewinn im Vergleich zum BGT gezeigt werden [7]. Ebenso wurde in den ersten randomisierten, kontrollierten klinischen Studien von Thoma et al. und Zeltner et al. der finale Matrixprototyp für eine periimplantäre Weichgewebeaugmentation in der ästhetische Zone verwendet und mit BGT verglichen [8,9]. Auch hier waren die Ergebnisse im Vergleich zur Anwendung von BGT über einen Zeitraum von drei Monaten vergleichbar.

Zwei klinische Studien mit Geistlich Fibro-Gide zeigen erfolgsversprechende Resultate. <span class="su-quote-cite">Dr. Navid Jalilvand</span>

Wie reagieren Ihre Patienten auf diese Kollagenmatrix als minimalinvasive Alternative zum autologen BTG?

Jalilvand: Mit Begeisterung. Die Patientenakzeptanz für Rezessionsdeckungen ist bei uns, seit wir die Kollagenmatrizes einsetzen, signifikant gestiegen. Auch im vorliegenden Split-mouth Fallbeispiel wurde zuerst der Zahn 23 mit BGT behandelt, woraufhin die Patientin mehrere Tage starke Schmerzen und etwa drei Monate lang ein unangenehmes Taubheitsgefühl beklagte. Die Behandlung des Zahns 13 mit Geistlich Fibro-Gide empfand die Patientin im Vergleich zum BGT als deutlich angenehmer.

Ausblick: Welche weiteren Studien und Verbesserungen wünschen Sie sich?

Jalilvand: Im Zusammenhang mit Rezessionsdeckungen an Zähnen existieren bis dato nur zwei klinische Studien mit Geistlich Fibro-Gide. Es handelt sich um Fallserien mit kleinen Fallzahlen, die aber erfolgsversprechende Resultate zeigen [10,11]. Daher sind weitere, vorzugsweise randomisierte, kontrollierte klinische Studien, die Geistlich Fibro-Gide mit BGT über einen längeren Zeitraum vergleichen, notwendig, um das Indikationsspektrum sowie die Effizienz von Geistlich Fibro-Gide bei der chirurgischen Deckung gingivaler Rezessionen besser beurteilen zu können.

Literatur
  1. Griffin TJ, Cheung WS, Zavras AI, Damoulis PD. Postoperative complications following gingival
    augmentation procedures. J Periodontol 2006;77:2070–2079.
  2. Soileau KM, Brannon RB. A histologic evaluation of various stages of palatal healing following
    subepithelial connective tissue grafting procedures: a comparison of eight cases. J Periodontol
    2006;77:1267–1273.
  3. Oates TW, Robinson M, Gunsolley JC. Surgical therapies for the treatment of gingival recession. A
    systematic review. Ann Periodontol 2003;8:303–320.
  4. Thoma DS, Villar CC, Cochran DL, Hämmerle CHF, Jung RE. Tissue integration of collagen-based
    matrices: an experimental study in mice. Clin Oral Implants Res 2012; 23(12):1333–9.
  5. Thoma DS, Naenni N, Benic G, Hämmerle CHF, Jung RE. Soft tissue volume augmentation at dental
    implant sites using a volume stable three-dimensional collagen matrix – histological outcomes of a
    preclinical study. J Clin Periodontol 2017;44:185–194.
  6. Thoma DS, Sancho-Puchades M, Ettlin DA, Hämmerle CHF, Jung RE. Impact of a collagen matrix on
    early healing, aesthetics and patient morbidity in oral mucosal wounds – a randomized study in
    humans. J Clin Periodontol. 2012 Feb;39(2):157–65.
  7. Thoma DS, Hämmerle CHF, Cochran DL, Jones AA, Görlach C, Uebersax L, et al. Soft tissue volume
    augmentation by the use of collagen-based matrices in the dog mandible — a histological analysis.
    J Clin Periodontol 2011;38:1063–1070.
  8. Thoma DS, Zeltner M, Hilbe M, Hämmerle CHF, Hüsler J, Jung RE. Randomized controlled clinical
    study evaluating effectiveness and safety of a volume-stable collagen matrix compared to
    autogenous connective tissue grafts for soft tissue augmentation at implant sites. J Clin
    Periodontol. 2016;43(10):874–85.
  9. Zeltner M, Jung RE, Hämmerle CHF, Hüsler J, Thoma DS. Randomized controlled clinical study
    comparing a volume-stable collagen matrix to autogenous connective tissue grafts for soft tissue
    augmentation at implant sites: linear volumetric soft tissue changes up to 3 months. J Clin
    Periodontol. 2017;44(4):446–53.
  10. Stefanini M, Mounssif I, Barootchi S, Tavelli L, Wang HL, Zucchelli G. An exploratory clinical study
    evaluating safety and performance of a volume-stable collagen matrix with coronally advanced
    flap for single gingival recession treatment. Clin Oral Investig. 2020;24(9):3181–3191.
  11. Schulze-Späte U, Lee CT. Modified Vestibular Incision Subperiosteal Tunnel Access Procedure with
    Volume-Stable Collagen Matrix for Root Coverage: Report of Three Cases. Int J Periodontics
    Resorative Dent. 2019;39(5):e181-e187.

Der Experte

Dr. Navid Jalilvand
seit 2009 niedergelassen in eigener Praxis in Hamburg, DG PARO-Spezialist für Parodontologie® Master of Science in Oral Implantology (DGI)
empfang@zahnzentrum-hafencity.de
Foto: privat