Implantologie

Implantatsysteme: Maschinierte Schultern

Allein in Deutschland werden mehr als 100 unterschiedliche Implantatsysteme angeboten. Und ständig kommen neue Varianten dazu, aktuell sind „maschinierte Schultern“ in. Das DENTAL MAGAZIN sprach mit ZA Stefan Scherg über das neue Design.



Maschinierte Implantatschultern scheinen en vogue zu sein, aus welchen Gründen?

Scherg: Das lässt sich nicht so allgemein beantworten. Nobel Biocare bietet zum Beispiel seit der letzten IDS mit Replace Select Tapered PMC (Partially Machined Collar = teilweise maschinierte Schulter) und NobelReplace Conical Connection PMC zwei Implantatlinien mit maschinierter Schulter an. Mit dem Replace Select setzt der Hersteller ja schon seit Jahren auf den maschinierten Abschluss. Die Indikationen und Konzepte der Produktlinien sind jedoch völlig unterschiedlich.

Was ist neu?

Scherg: Das Replace Select Tapered PMC mit dem maschinierten Rand bietet in der bereits vorhanden Produktfamilie eine weitere Option, die es ermöglicht, die vertikale Positionierung an das vorhandene Knochenniveau besser anzupassen. Aufgrund der nach wie vor bestehenden Dreikanal-Innenverbindung bleibt das prothetische Vorgehen wie gehabt. Mit dem maschinierten Rand von 1,5 mm – und jetzt neu 0,75 mm – lassen sich die knöchernen Gegebenheiten des Patienten einfach besser versorgen, und das mit der gleichen Implantatlinie.

1,5 mm maschinierter Rand versus 0,75 mm – wann ist denn welche Breite indiziert?

Scherg: Das Implantat mit dem 1,5 mm maschinierten Rand ist ein funktionelles Implantat für den nicht-ästhetischen Bereich. Durch die Positionierung auf Tissuelevel lässt es sich prothetisch problemlos versorgen.Die Reduzierung der maschinierten Schulter auf 0,75 mm, ermöglicht eine Insertion im Frontzahnbereich und in ausgeheilten Gebieten, in denen kein großes „Remodelling“ stattfindet. Ich favorisiere diese Variante bei Sofortimplantationen und beim dünnen Gingivatyp, bevorzugt im nicht-ästhetischen Bereich.

Zum Beispiel bei PA-Patienten?

Scherg: Korrekt. Wer aufgrund parodontologischer Aspekte moderat-raue Oberfläche bis zum Weichgewebe ablehnt, wählt den maschinierten Rand von 0,75 mm. Damit kann man sowohl eine epi- als auch subkrestale Positionierung vornehmen und so eine direkte Verbindung zwischen der plaqueanfälligeren Beschichtung und dem Weichgewebe vermeiden. Der Vorteil der einfachen prothetischen Versorgungsform, den eine Tube-in-Tube-Verbindung mit sich bringt, bleibt aber bestehen (Fallbeispiel 1).

Kommen wir zur konischen Verbindung mit maschinierter Schulter …

Scherg: Beim Implantatsystem NobelReplace Conical Connection PMC nach dem Platform-Switching-Konzept bedeutet der maschinierte Rand, dass das auf der Schulter des Implantats in direktem Kontakt zum Implantat-Abutment-Interface vorhandene Weichgewebe nicht die moderat-raue Implantatfläche berührt. Die Knochenapposition an dieser erfolgt gezielt weiter entfernt vom Schulterbereich Dadurch ergibt sich auch die Variabilität in der vertikalen Positionierung: Der maschinierte Bereich – hier von 0,75 mm – lässt sich sowohl epikrestal als auch leicht subkrestal platzieren.

Auf manchen Röntgenbildern sieht man knöcherne Anlagerungen auf den Schulterbereich …

Scherg: Das ist nicht die Regel. Darüber hinaus reduziert es sich im Laufe der Liegedauer des Implantats, so dass sich bei den NobelReplace CC PMC Implantaten nach entsprechender Knochenmodellation das Weichgewebe an den maschinierten Anteil anlegen kann (Abb. 1 bis 5). Das ist insofern neu, als andere Hersteller bei diesem Implantattypus weder im horizontalen (Ankylos) noch im vertikalen Bereich (Camlog, Straumann) einen maschinierten Anteil haben.

Konische Innenverbindung versus Tube-in-Tube-Verbindungen – wann ist welche Variante indiziert?

Scherg: Es gibt für beide Verbindungssysteme Vor- und Nachteile. Daraus ergeben sich unterschiedliche Verwendungszwecke. Die konische Innenverbindung ist zwar mechanisch stabiler, erfordert aber mehr Genauigkeit – sowohl was die Insertion als auch was die prothetische Versorgung angeht. Die meist subkrestalere Positionierung und das daraus resultierende Plus an Weichgewebe erschweren zudem eine Kontrolle des korrekten Sitzes des Abformpfostens oder des Abutments. Man benötigt dafür oftmals eine Röntgenaufnahme.

Ist die Sechsfach-Indexierung der Dreikanal-Innenverbindung vorzuziehen?

Scherg: Durch die Sechsfach-Indexierung ergeben sich mehr horizontale Positionierungsoptionen als bei der Dreikanal-Innenverbindung, so dass auch das die Praktikabilität erschwert. Auch das Zusammenspiel mit dem Techniker muss genauestens abgestimmt sein, da die Vorteile des konischen Implantat-Abutment-Typus nur zum Tragen kommen, wenn die tatsächliche Beschaffenheit des Emergenzprofils auch dem Zahntechniker vermittelt wird.

Welche Verbindung favorisieren Sie?

Scherg: Bei mehrgliedrigen Konstruktionen, die direkt auf dem Implantat verschraubt werden, ziehen wir die Tube-in-TubeVerbindungen vor. Es handelt sich dabei oft um eine funktionelle Prothetik wie eine Stegversorgung, dabei muss das Weichgewebe nicht ästhetischen Richtlinien folgen. Auch bei direkt auf dem Implantat verschraubtem festsitzendem Zahnersatz nach dem Procera-Implant-Bridge-Konzept stellt die herkömmliche Verbindung eine gute Alternative dar.

Dagegen verwenden wir im ästhetischen Bereich bevorzugt ein Implantatsystem mit einem Innnenkonus. So lassen sich ein ästhetisches Plus und ein gutes Langzeitergebnis erzielen. Aufgrund der festen mechanischen Adaption von Implantat und Abutment bevorzugen wir den Innenkonus auch bei stark belasteten Einzelzahnversorgungen.

Worauf kommt es beim „dünnen Gingiva-Typ“ an?

Scherg: Entscheidend ist, ob die Position im funktionellen oder ästhetischen Bereich liegt. Wird im funktionellen Bereich inseriert, verwenden wir das Replace Select mit maschinierter Schulter, da bei einer eventuellen Rezession der Mukosa am Implantat keine moderat-raue Oberfläche exponiert liegt. Im ästhetischen Sektor setzen wir auf das NobelReplace CC PMC. Denn: Schon allein das neue Design der Abutmentverbindung führt zu einer Gewebezunahme. Das kann natürlich durch augmentative Maßnahmen noch verstärkt werden.

Fallbeispiel I

Eine 63-jährige Patientin mit zahngetragener Teleskopprothese im Unterkiefer stellte sich vor. Die Zähne 33 und 44 waren auf Zahnfleischniveau abgebrochen, nur noch 43 sorgte für dürftigen Halt. Auch dieser Zahn wies den Lockerungsgrad 3 auf. Deshalb entschieden wir uns für eine implantatgetragene Versorgung auf vier Implantaten mit Locator sowie für eine neue Suprakonstruktion. Dafür sollte der alte Zahnersatz nach der Sofortimplantation bei ausreichender Primärstabilität zur Sofortversorgung umgebaut werden.

Nach entsprechender Aufklärung wurden die Restzähne entfernt und in der gleichen Sitzung vier Implantate interforaminär inseriert. Dabei orientierte sich die Positionierung von drei Implantaten an der jeweiligen Extraktionsalveole. Verwendet wurden Replace Select Implantate an den Positionen 33, 43 und 44, um nach Abheilung mit der maschinierten Schulter eine leicht suprakrestale Positionierung zu erreichen. Das erleichtert das prothetische Prozedere. Da zudem das Band an keratinisierter Mukosa sehr schmal war, bevorzugten wir bei dieser funktionellen Implantation Fixturen mit breiterem maschiniertem Rand (1,5 mm), um für spätere Rezessionen aufgrund der dünnen Mukosa eine ausreichende Barriere zu haben.

Für Regio 34 verwendeten wir ein Replace Select PMC Implantat mit 0,75 mm maschiniertem Rand. Denn hier erfolgte die Implantation in einem bereits ausgeheilten Kieferabschnitt. Aus diesem Grund war mit geringerer Schrumpfung des Hart- und Weichgewebes zu rechnen. Die 0,75 mm Höhe des maschinierten Randes für eine prothetisch ideale vertikale Positionierung der Fixtur waren somit ausreichend. Zudem hätte der bukko-orale Niveauunterschied des Alveolarfortsatzes bei einem 1,5 mm maschinierten Rand bedeutet, dass durch die epikrestale Positionierung auf der bukkalen Seite auf der höheren oralen Seite des Knochens der komplett subkrestal liegende Rand zu einer stärkeren Resorption geführt hätte. Dies konnte durch das Replace Select PMC Implantat minimiert werden. Nach der Implantation verfügten drei Implantate über eine ausreichende Primärstabilität (35 Ncm), so dass die ausgeschliffene alte Prothese mittels Locator im Sinne einer Sofortversorgung mit den Fixturen verbunden wurde. Die Anpassung erfolgte chairside mit einem Autopolymerisat. Nach drei Monaten komplikationsloser Einheilung erfolgte die Anfertigung des neuen Zahnersatzes auf den osseointegrierten vier Implantaten.

Fallbeispiel II

Im Oberkiefer dieses 58-jährigen Patienten fehlten die Zähne 26, 27. Er wünschte die Versorgung dieser Freiendsituation mit Implantaten. Denn seit dem Zahnverlust vor einigen Jahren neigte er zum einseitigen Kauen.

Nach entsprechender Aufklärung entschieden wir uns für folgendes Vorgehen: Wir inserierten direkt nebeneinander zwei konische Implantate, eins mit und eins ohne maschinierte Schulter: In Regio 26 inserierten wir NobelReplace CC mit dem Durchmesser 4,3 mm (keine maschinierte Schulter), in Regio 27 NobelReplace CC PMC mit gleichem Durchmesser, aber einer maschinierten Schulter von 0,75 mm. Da die Breite des Alveolarkamms gut erhalten war, verfügten beide Implantate über eine ausreichende horizontale Knochenmenge, so dass sie nur in der Länge differierten. Da auch in der vertikalen Ausrichtung das Knochenangebot gut war und sich augmentative Maßnahmen erübrigten, ließ sich in Regio 26 ein Implantat der Länge 11,5 mm und in Regio 27 eines der Länge 10 mm einbringen. Diese beiden Längen haben keinen Einfluss auf die krestale Knocensituation.

Die Implantation erfolgte planmäßig. Da beide Implantate über eine gute Primärstabilität verfügten, konnte eine transgingivale Einheilung mittels Gingivaformer erfolgen. Bei beiden Fixturen wurden Gingivaformer mit einem Durchmesser von 5 mm und einer Höhe von 5 mm verwendet. Der zum chirurgischen Einbringen notwendige Mukoperiostlappen wurde mit einer Naht zur speicheldichten Adaption fixiert. Nach drei Monaten wurde die ausreichende Primärstabilität als Maß für die erfolgte Osseointegration per Drehmoment ( 35 Ncm) geprüft. Der weitere Heilungsverlauf war komplikationslos.

Prothetische Versorgung

Nach der Abformung in Repositionstechnik designte der Zahntechniker zwei individuelle Abutments, die dem entsprechend mit der Abformung übermittelten Verlauf des Weichgewebes folgten. Nach dem Scannen der Abutments erfolgte die zentrale Fertigung in Schweden. Aufgrund des kaubelasteten Seitenzahnbereichs entschieden wir uns für die stabile Lösung aus Titanabutments. Nach der Überprüfung im Labor wurden die Einzelkronen hergestellt und die Versorgung zementiert. Das nach der Entfernung der Zementreste angefertigte Röntgenbild zeigt bei beiden Implantatsystemen stabile Knochenverhältnisse, wobei bei beiden im Schulterbereich eine leichte Adaption zu beobachten ist.

Beim Implantat 27 mit dem maschinierten Rand würde das bedeuten, dass das Weichgewebe hier einer glatten Oberfläche anliegt, während beim Implantat 26 mit der moderat-rauen Oberfläche bis zur Schulter es dazu kommen könnte, dass das Weichgewebe der Oberfläche direkt anliegt und damit auch leichter Bakterien auf diese retentive Oberfläche gelangen. Vergleicht man beide Röntgenbilder, ist dieses Phänomen bereits zu erkennen. Während direkt nach der Implantation der Knochen auf den Schultern liegt (grüne Pfeile), hat nach drei Monaten bereits eine Anpassung stattgefunden. Beim Implantat 26 ist distal das Weichgewebe durch die Knochenapposition bereits an der moderat-rauen Oberfläche (roter Pfeil) angelangt, während es bei 27 an der maschinierten Schulter zu liegen kommt (blaue Pfeile).

Ausblick

Welche Langzeitfolgen dies haben kann, wird die Zukunft zeigen, genauso interessant werden röntgenologische Folgeaufnahmen sein, die den weiteren Verlauf des Alveolarfortsatzes dokumentieren. Ob evtl. auch die Makroform des Schulterbereichs einen Einfluss auf die Knochenstabilität hat, müssen Vergleichsstudien z. B. mit dem NobelActive Implantatsystem zeigen. Das neue Implantat NobelReplace CC PMC erhöht die Sicherheit in puncto Positionierung und die Prognose des krestalen Knochens. Denn wir können oft nicht einschätzen, wie bei den einzelnen Patienten individuelle Aspekte Heilung und Langzeitstabilität beeinflussen.

ZA Stefan Michael Schwerg studierte Zahnmedizin in Würzburg und ist seit 1997 niedergelassen in eigener Praxis, zunächst in Thüngen, seit 2002 in Karlstadt. Tätigkeitsschwerpunkte: Parodontologie, Implantologie, Endodontie und Ästhetische Zahnheilkunde. November 2002: Gründung des Fortbildungsinstituts Schöne Zähne.
Kontakt: praxis@zahnarzt@scherg.com