Implantologie

All-on-4 im Oberkiefer?

Obwohl das All-on-4-Konzept seit mehr als zehn Jahren weltweit von mehreren tausend Zahnärzten erfolgreich angewendet wird, reißt die Kritik nicht ab. Welche Gefahren sehen die Gegner dieser Versorgungsvariante? Das DENTAL MAGAZIN fragte Dr. Wolfgang Bolz, München, der zusammen mit seinem Kollegen Prof. Dr. Hannes Wachtel mehr als 400 Patienten mit „festen Dritten an einem Tag“ versorgt hat.


Schuh


All-on-4 sieht im zahnlosen Unterkiefer und im zahnlosen Oberkiefer mindestens vier Implantate vor. Die Konsensuskonferenz Implantologie empfiehlt dagegen mindestens sechs Implantate im zahnlosen Oberkiefer. Wonach soll sich der Praktiker nun richten?

Bolz: Das All-on-4-Konzept bietet eine Versorgung, die sicher, voraussagbar und in nur einem Eingriff erfolgen kann. Dabei ist es nicht entscheidend, ob vier, fünf oder mehr Implantate inseriert werden. Entscheidend ist, dass diese Implantate sofort belastet werden können – und das sowohl im Unterkiefer als auch im Oberkiefer. In den meisten Fällen sind vier Implantate unter der idealen Ausnutzung der knöchernen anatomischen Gegebenheiten für eine festsitzende Sofortversorgung ausreichend, bzw. es können auch nicht mehr Implantate ohne vorherige Augmentation inseriert werden. Der Erfolg ist vor allem von der Erfahrung des Chirurgen und der hohen Primärstabilität der eingebrachten Implantate abhängig. Wenn man also den Patienten an einem Tag wieder mit festen Zähnen versorgen will, dann ist das das richtige Konzept.

Belegen auch in Deutschland durchgeführte Studien den Erfolg von All-on-4 für festsitzenden Zahnersatz? Man hört von Studien, die abgebrochen wurden wegen Misserfolgen im OK, stimmt das?

Bolz: Wir haben in Zusammenarbeit mit der Charité in Berlin eine klinische, prospektive Studie seit sieben Jahren laufen und werden die Ergebnisse in Kürze im Rahmen einer Dissertation publizieren können. Dabei sind alle von uns mit dieser Methode behandelten Patienten inkludiert. Die Erfolgsraten sind vergleichbar mit konventionellen festsitzenden Versorgungsarten mit höherer Implantatzahl (98,5 % nach Kaplan Meyer). Die aktuelle Leitlinie empfiehlt: „Weniger als vier Implantate sollen für den zahnlosen Oberkiefer nicht geplant werden.“ Aufgrund fehlender Langzeitdaten haben die Experten sich geeinigt, derzeit keine Empfehlung für festsitzende Versorgungen im Rahmen des All-on-4-Konzepts auszusprechen. Die Leitlinie wird in drei Jahren überarbeitet. Wir gehen stark davon aus, dass bis dahin ausreichend Daten vorliegen werden, die den Erfolg belegen. Es sind jedoch international zahlreiche und auch umfangreiche Studien vorhanden, die sowohl bestätigen, dass vier Implantate ausreichen, als auch belegen, dass die sofortige Belastung dieser Implantate sehr erfolgreich durchgeführt wird und werden kann.

Zum Teil muss der Kieferkamm reduziert werden, um Implantate korrekt setzen zu können. Halten Sie das für vertretbar? Wenn ja, warum? Und: Kommt das in Ihrer Praxis häufiger vor?

Bolz: Auch schon in den 1980er Jahren haben wir nach Brånemark implantiert und den zahnlosen Kieferkamm zur Aufnahme von Implantaten reduziert. Die Höhenreduktion ist jedoch aus prothetischer Sicht in vielen Fällen unumgänglich, wenn man einen festsitzenden Zahnersatz, der auch im Mund perfekt zu reinigen sein soll (wie eigene Zähne!), einsetzen möchte. Wir sind der Meinung, und da haben wir international unzählige Kollegen auf unserer Seite, dass ein Patient erst dann wirklich wieder rehabilitiert ist, wenn er feste Zähne im Mund hat.

Wann ist das All-on-4-Konzept kontraindiziert?

Bolz: Im Vordergrund steht auch in unserer parodontologisch geführten Praxis die Zahnerhaltung! Erst wenn die Zahn‧extraktion als die für diesen Patienten richtige Vorgehensweise infrage kommt, wird die Indikation für „All-on-4“ gestellt. Die Kontraindikationen bleiben die gleichen wie bei der konventionellen Implantattherapie.

Was droht dem Zahnarzt bei Misserfolgen? Schließlich hält sich der Praktiker mit All-on-4 nicht an die Vorgaben der Konsensuskonferenz.

Bolz: Wir geben unseren Patienten eine Garantie über sechs Jahre für die Implantate. Das ist sicher ungewöhnlich, aber sowohl für die Kostenträger als auch für die Patienten der richtige Ansatz. Die Konsensuskonferenz wird sicher auch noch dazulernen und internationale Standards und Studien akzeptieren. Ich gehe auch davon aus, dass unsere Daten dazu einen entscheidenden Beitrag leisten werden.

Wie steil ist die Lernkurve?

Bolz: Alle Methoden haben eine Lernkurve. Bei All-on-4 sollte man das Prinzip verstehen und auch genau über die prothetischen Probleme orientiert sein, dann kann ein erfahrener Implantologe sehr schnell diese Methode erfolgreich einsetzen.

Wie häufig ging etwas schief?

Bolz: In den ersten beiden Jahren hatten wir ca. fünf Prozent Miss‧erfolge, da sowohl das Erzielen der Primärstabilität in weichem Knochen als auch das schräge Implantieren einige Probleme bereitete. Nach zwei Jahren waren wir bei einer Erfolgsquote von ca. 99 Prozent. Das Erzielen der Primärstabilität scheint von großer Bedeutung für den Erfolg zu sein. Dazu kommt die ständige Weiterentwicklung des Implantatdesigns und der prothetischen Suprakonstruktionen.

Auf der 12. Jahrestagung des Landesverbandes der DGI in Köln sorgten Ihre All-on-4-Fallpräsentationen für eine hitzige Debatte. Wird sich All-on-4 denn flächendeckend in der Praxis etablieren? Wie lautet Ihre Einschätzung?

Bolz: Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir unseren Patienten, die das Schicksal der Zahnlosigkeit erleiden bzw. erlitten haben, diese Behandlungsmethode noch weiter vorenthalten sollen. Feste Zähne an einem Tag bedeutet auch aus sozioökonomischer Sicht einen immensen Vorteil für alle Beteiligten.



Dr. Wolfgang Bolz
ist seit über 30 Jahren niedergelassener Zahnarzt mit Spezialgebiet Parodontologie und Implantologie und seit 1993 mit Prof. Dr. Hannes Wachtel in einer Gemeinschaftspraxis in München tätig. Er ist als Referent und Autor aktiv und Mitbegründer der European Association for Osseointegration (EAO).
Kontakt: Wolfgang@bolz.biz