Gedruckter definitiver Zahnersatz

3D-Druck in Zahnarztpraxis und Labor

In größeren niedergelassenen Zahnarztpraxen wird der 3D-Druck bereits breit eingesetzt. Denn die Inhousefertigung von Schablonen und Co. rechnet sich. Weitere Einsatzgebiete sind Knirscher- und Aufbissschienen. Was gilt für definitive prothetische Versorgungen? Ist die gedruckte Krone das neue Chairside? Dr. Gerhard Werling liefert Antworten.


3D-Druck Zahnarztpraxis

Abb. 1a Anprobe primärer Sekundärkronen © Werling


Herr Dr. Werling, seit wann nutzen Sie den 3D-Druck in Ihrer Zahnarztpraxis ?

Werling: Wir haben vor drei Jahren entschieden, in unserer Zahnarztpraxis mit dem 3D-Druck zu starten. Inzwischen arbeiten wir mit drei Geräten. Seit September vergangenen Jahres nutzen wir einen vierten 3D-Drucker: den SprintRay Pro95.

Wie unterscheiden sich die Drucktechniken und welche Relevanz hat das für Ihre Praxis?

Werling: Es gab und gibt verschiedene 3D-Drucker am Dentalmarkt in unterschiedlichen Preissegmenten. Bei den günstigen Modellen gilt es, einige Kompromisse in Kauf zu nehmen.


In welcher Hinsicht?

Werling: Hinsichtlich der Genauigkeit, der Präzision, der Plattformgröße und der Druckgeschwindigkeit. Zurückzuführen ist dies auf unterschiedliche 3D-Drucktechnologien, die in den vergangenen Jahren entwickelt wurden. Sie basieren auf unterschiedlichen Prinzipien. Im Dentalmarkt arbeitet heute das Gros der Geräte mit Digital Light Processing (DLP). Andere Anbieter setzen auf Stereolithografie (SLA), Selektives Laserschmelzen (SLM) und PolyJet (siehe Kasten). Wir bevorzugen die DLP-Technik. Interessant ist es für uns Zahnärzte, dass mit dem SprintRay Pro95 ein hochwertiger, aber kostengünstiger 3D-Drucker am Markt verfügbar ist …

… mit dem sich die Investition rechnet?

Werling: Definitiv, und zwar für die Praxis und das Labor – einerseits wegen der diversen Einsatzmöglichkeiten, andererseits weil ein schneller Return on Investment (ROI) möglich ist. Der SprintRay Pro95 kostet mit rund 7.000 Euro zudem deutlich weniger als 3D-Drucker vieler Mitbewerber und spielt dennoch in der „Drucker-Oberliga“.

Worauf ist das zurückzuführen?

Werling: Auf die Genauigkeit, die Präzision, die Indikationsvielfalt und die Plattformgröße – es lassen sich mit dem SprintRay bis zu acht Modelle in 30 Minuten gleichzeitig drucken.

Was sind die Hauptindikationen beim 3D-Druck in Ihrer Zahnarztpraxis?

Werling: Wir drucken Schienen, Bohrschablonen, Provisorien, aber auch Situations-, Arbeits-, Aligner-Modelle und auch Meistermodelle, auf denen wir in unserem Praxislabor komplexe Arbeiten erstellen.

Welche zum Beispiel?

Werling: Wir waren positiv überrascht, dass bei Teleskoparbeiten – über den ganzen Kiefer – basierend auf einem Scan, die im Mund verklebte Tertierstruktur (Weigel-Protokoll) auf dem gedruckten Resin Modell passgenaue umgesetzt und weiterverarbeitet werden konnte (Wachsaufstellung, Fertigstellung). Es konnte der Arbeitsschritt der klassischen Fixfunktionsabformung ersetzt werden, was zu einer Zeit- und Materialersparnis führt und dem Patienten den Abdruck erspart. Dies zeigt, wie präzise die digitale Abformung heute ist und wie genau der SprintRay-Drucker bei der Modellherstellung arbeitet.

Anfang Februar wurde eine Kooperation von SprintRay und BEGO bekanntgegeben. Damit sind die Materialien VarseoSmileCrown plus und VarseoSmile Temp für den Einsatz mit dem 3D-Drucker SprintRay Pro für endgültige und vorübergehende Restaurationen validiert. Sie gehören zu den ersten Testern, hat Sie das Material überzeugt?

Werling: Ganz ehrlich, anfangs war ich skeptisch, als gelernter Zahntechniker hatte ich eher Ressentiments. Vor allem hatte ich wenig Lust, mir neben Lithiumdisilikat, Vollzirkon, Glas-, Feldspat- und Hybridkeramik und Kompositen noch ein Material in den Schrank zu legen.

„Ich sah einfach keine Indikation für den Druck definitiver Versorgungen, habe mich aber dann doch mit der Thematik beschäftigt.“ <span class="su-quote-cite">Dr. Werling</span>

Mit VarseoSmileCrown plus lassen sich ja definitive Veneers, Inlays und Kronen drucken. Bitte beschreiben Sie Ihre ersten Fälle.

Werling: Noch ist das Material zur definitiven Versorgung von Kronen und Co. nur in den USA zugelassen. In Deutschland wird die Zulassung im April erwartet. Wir haben mit VarseoSmile Crown plus mit dem SprintRay Pro95-Drucker eine Brücke angefertigt, also eine Indikation, die so vom Hersteller noch nicht freigegeben ist.


Was waren Ihre Gründe dafür?

Werling: Bei einem Patienten musste der Zahn 35 entfernt werden. Nach der klinischen und röntgenologischen Diagnostik stand fest, dass auch der langfristige Erhalt der Zähne 34 und 38 nicht möglich war. Der Patient wünschte eine Implantatversorgung der Zähne 35 und 36. Da ihm die Zähne 34 und 38 keinerlei Probleme bereiteten, wollte er sie jedoch noch nicht extrahieren lassen. Wir fertigten mit dem SprintRay Drucker eine Brücke von 34 auf 38 an, obwohl wir ja eigentlich nur zwei Kronen benötigt hätten. Der Grund: Wir wollten die Passung einer gedruckten Brücke überprüfen.

Und – wie lautet Ihr Urteil?

Werling: Die Passung war wirklich hervorragend. Anfangs bin ich davon ausgegangen, dass der 3D-Druck die Kauflächen in Mitleidenschaft ziehen könnte. Das ist definitiv nicht der Fall. Die Okklusion und auch der Randschluss erwiesen sich als super, alles hat gepasst. Sogar über die lange Spanne der Brücke, kein Verzug, kein Kippeln (Abb. 2d). Nach der Brückenanprobe und klinischen Kontrolle trennten wir die Zähne 34 und 38 aus der Brückenversorgung ab und setzten die Einzelkronen dem Patienten ein. Etwa zwei Monate später sollte dann die Implantation von 35 und 36 erfolgen. Resultierend aus unseren ersten klinischen Fällen kamen wir zu dem Fazit, dass gedruckte Restaurationen für bestimmten Versorgungen eine interessante Option sind (Abb. 2e).

Sprich: Wer eine kostengünstige gedruckte Krone bekommt, kann auf konventionelle Kronen verzichten?

Werling: Das könnte ein möglicher Weg sein. Auch wenn die adhäsive Befestigung aufwendiger ist: Ich kann mir gedruckte Restaurationen als eine Art Grundversorgung für weite Teile der Bevölkerung vorstellen. Natürlich fehlen Langzeiterfahrungen, aber es ist vorstellbar, dass sich ein solches Material in bestimmten Indikationen etablieren kann. Es gibt – wie gesagt – Patienten, die sich keinen teuren Zahnersatz leisten können. Gedruckte Restaurationen wären in diesen Fällen definitiv eine Alternative und WIN/WIN für Zahnarzt und Patient. Die geringen Herstellungskosten machen es möglich.

Sind konventionelle Kronen denn so viel teurer als gedruckte Kronen?

Werling: Mit Blick auf die Herstellungskosten sind die gedruckten Kronen einfach konkurrenzlos.

„Die Passung der gedruckten Brücke war wirklich hervorragend. Die Okklusion, der Randschluss – alles hat gepasst, sogar über die lange Spanne der Brücke.“ <span class="su-quote-cite">Dr. Werling</span>

Welche weiteren Indikationen haben Sie getestet?

Werling: Wir starten gerade mit einem Fall, bei dem wir einer kompletten Überkronung des Oberkiefers eines Patienten durchführen.

Wie werden die Restaurationen nach dem 3D-Druck in der Zahnarztpraxis bearbeitet? Wie hoch ist der Aufwand?

Werling: Das Nachbearbeiten hält sich in Grenzen: Die Supports, mit denen die Arbeiten an der Druckplatte befestigt sind, werden abgetrennt. Danach geht es ins Lichthärtegerät für insgesamt 180 Sekunden. Die Befestigungsstellen werden final geschliffen und poliert. Die Okklusion leidet dadurch übrigens nicht.

Wie steht es mit der Ästhetik?

Werling: Wir – Zahnärzte, Techniker und die zahnmedizinischen Mitarbeiterinen – waren wirklich überrascht. Gerade im Vergleich zu Alternativen wie NE-Metallkronen punkten gedruckte Restaurationen sowohl in ästhetischer Hinsicht als auch mit Blick auf die Biokompatibilität. Zusammen mit der reduzierten Leitfähigkeit – also der Wärme- und Kälteempfindung – überwiegen die Vorteile.

Reduziert die Integration eines 3D-Druckers in den Praxis-Workflow auch die Behandlungszeit und die Kosten?

Werling: Gipsmodelle herzustellen nimmt natürlich mehr Zeit in Anspruch als ein Modell für den Druck freizugeben. Zudem sind die gedruckten Modelle reproduzierbar: Fällt eins hin, gibt es quasi auf Knopfdruck ein neues. Und: Die Archivierung des digitalen Datensatzes ist hoch spannend, vor allem für Kieferorthopäden: Die aufwendige Lagerung der Modelle im Keller entfällt logischerweise.

Ist die digitale Abformung ein Muss, um in die 3D-Druck-Versorgung einzusteigen?

Werling: „Jein“, man kann konventionell abformen und den Abdruck anschließend scannen. Doch der orale Scan vereinfacht natürlich den Workflow. Die STL-Daten lassen sich direkt drucken.

Wie kommen gedruckte Versorgungen bei den Patienten an?

Werling: Gedruckte Schienen empfinden unsere Patienten als deutlich angenehmer als gefräste. Das haben wir in unserer Praxis getestet. 20 Patienten, die bereits gefräste Schienen besaßen, haben wir kostenlos gedruckte Schienen zur Verfügung gestellt. Vor allem die Elastizität des Materials kam an.

<strong>3D-Druckverfahren in der Zahnmedizin</strong>

SLA (Stereolithografie)
Das Werkstück befindet sich in einem Flüssigbad aus Photopolymer, in das es nach und nach tiefer abgesenkt wird. Ein Laser fährt bei jedem Schritt über den Ausgangsstoff, um die gewünschte Form zu schaffen.

DLP (Digital Light Processing)
Das Objekt entsteht ebenfalls in einem Flüssigbad. Allerdings kommt kein Laser zum Einsatz. Stattdessen setzt DLP eine digitale Leinwand ein, um ein einzelnes Bild jeder Schicht über die gesamte Plattform auf einmal zu projizieren.

PolyJet
Während des Drucks tragen zwei oder mehr Druckköpfe winzig kleine Tröpfchen eines Photopolymers auf eine Plattform auf, die sofort mittels UV-Licht ausgehärtet wird.

SLM (Selektives Laserschmelzen)
Der zu verarbeitende Werkstoff wird in Pulverform auf der Plattform aufgebracht. Mittels Laserstrahlung wird das Pulver geschmolzen, sodass sich nach der Erstarrung eine feste Schicht bildet. Anschließend wird die Grundplatte um den Betrag einer Schichtdicke abgesenkt und erneut Pulver aufgetragen. Dieser Zyklus wird so lange wiederholt, bis alle Schichten umgeschmolzen sind.

Handelte es sich um Bruxismusschienen?

Werling: Richtig, um Funktionsschienen. Hauchdünne Schienen, um die Okklusion neu einzustellen, fräsen wir nach wie vor.

Warum?

Werling: Weil sie dann stabiler sind. Die gedruckten Schienen sind bislang zwar noch nie gebrochen, aber es fehlen Langzeitdaten, die Beobachtungsphase beläuft sich ja noch auf nur wenige Monate.

Kommen wir zur Lernkurve …

Werling: Wie bei jedem Neugerät gab es auch bei der Integration der 3D-Drucker in den Praxisworkflow eine Lernkurve. Die sehr guten Schulungen und der Support von SprintRay ermöglichten – anders als mit unseren ersten Geräten – unseren Mitarbeitern eine schnelle Umsetzung in die tägliche Praxisroutine.

Könnte der 3D-Druck in der Zahnarztpraxis sich zum „neuen Chairside“ etablieren und über kurz oder lang CEREC-Anwendungen ersetzen?

Werling: Einige sicherlich zum Beispiel Schienen, Bohrschablonen, Langzeitprovisorien, eventuell sogar auch Einzelkronen, Inlays. Keramikversorgungen werden allerdings in den nächsten Jahren nach wie vor dominieren. Wir brauchen die Feldspat-, Glaskeramiken, Lithiumdisilikate, Vollzirkone. Mit der Ästhetik, Funktion und Härte dieser Materialien können gedruckte Alternativen noch nicht mithalten. Gedruckte Restaurationen sind daher eine zusätzliche Option für CEREC Anwender. Alles in allem ist der SprintRay-Drucker eine sehr gute Ergänzung zum CEREC, der sich reibungslos in unseren Praxisablauf integriert hat und einfach zu bedienen ist.

 


Der Experte

Dr. Gerhard Werling

© privat

Dr. Gerhard Werling Zahnmedizinstudium in Frankfurt am Main, seit 1992 niedergelassen in eigener Praxis in Bellheim. info@doktor-werling.de