Aufklärungsbedarf

Ihr Recht auf eine Sachverständigenanhörung

Dem Antrag einer Partei auf Anhörung eines Sachverständigen muss das Gericht regelmäßig nachgehen. Dies bestätigt zum Beispiel der Leitsatz zu der Entscheidung des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 01.11.2018 (Az. 12 U 266/16).


Sachverständigenanhörung

Das rechtliche Gehör ist ein bedeutendes Gut. Die Anhörung des Sachverständigen stellt ein starkes und wichtiges prozessuales Mittel dar. © seb_ra/iStockphoto


Dem Sachverständigen kommt in einem Gerichtsprozess eine ganz entscheidende Bedeutung zu. Das gilt besonders in Haftungsverfahren. Hier ersetzt die zahnmedizinische Fachkunde des Sachverständigen die fachlich bedingte Unkenntnis des Gerichts in zahnmedizinischen Fragen. In der Regel – wenn keine besonderen Umstände vorliegen, die berechtigt an der Richtigkeit des Gutachtens zweifeln lassen – wird das Gericht den Aussagen des Sachverständigen folgen. Umso wichtiger ist es, eventuell noch offene Fragen oder Unklarheiten bezüglich des Sachverhalts und dessen Beurteilung zeitnah zu klären. Dazu kann eine erneute und erweiterte Fragestellung an den Sachverständigen im Rahmen der schriftlichen Begutachtung dienen. Besteht danach weiterhin Klärungsbedarf, kann eine Sachverständigenanhörung im Verhandlungstermin erforderlich werden.

Aufklärung durch Sachverständigenanhörung

In der Regel hat nur eine der Parteien einen weiteren Aufklärungsbedarf, nämlich die, für welche sich die Lage zu dem Zeitpunkt als schlechter darstellt. Um eine sachgerechte Aufklärung zu fördern, kann jede Partei die Sachverständigenanhörung in der mündlichen Verhandlung beantragen. Diese Möglichkeit gehört zu dem im Grundgesetz verankerten Anspruch auf das so genannte „rechtliche Gehör“. Artikel 103 Abs. 1 GG lautet: „Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.“

Dem Antrag einer Partei auf Anhörung eines Sachverständigen muss das Gericht regelmäßig nachgehen. Dies bestätigt zum Beispiel der Leitsatz zu der Entscheidung des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 01.11.2018 (Az. 12 U 266/16):

„Auf Antrag einer Partei ist das Gericht zur Vorladung eines Sachverständigen, der ein schriftliches Gutachten erstellt hat, verpflichtet, da die Partei zur Gewährleistung ihres rechtlichen Gehörs einen Anspruch darauf hat, dass sie dem Sachverständigen die Fragen, die sie zur Aufklärung der Sache für erforderlich hält, zur mündlichen Beantwortung vorlegen kann.“

Weitreichende Konsequenzen

Geht ein Gericht dem Antrag einer Partei auf Anhörung des Sachverständigen grundlos nicht nach, kann das weitreichende Konsequenzen für das Verfahren haben: „Ein Urteil leidet unter einem Verfahrensfehler, wenn das Gericht den Sachverständigen nicht zur mündlichen Erläuterung seines schriftlichen Gutachtens geladen hat.“ Das Brandenburgisches Oberlandesgericht hebt in seinen Entscheidungsgründen die Bedeutung des rechtlichen Gehörs und der Anhörung des Sachverständigen wie folgt besonders hervor:

„Wie der Senat bereits in der Terminsverfügung vom 13.08.2018 ausgeführt hat, ist das landgerichtliche Urteil verfahrensfehlerhaft ergangen, weil dieses den Sachverständigen Dr. G… nicht zur mündlichen Erläuterung seines schriftlichen Gutachtens geladen hat. Die angefochtene Entscheidung beruht damit auf einer Verletzung des Anspruchs der Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs aus Art. 103 Abs. 1 GG … . Auf Antrag einer Partei ist das Gericht zur Vorladung des Sachverständigen verpflichtet, da die Partei zur Gewährleistung ihres rechtlichen Gehörs nach §§ 397, 402 ZPO einen Anspruch darauf hat, dass sie dem Sachverständigen die Fragen, die sie zur Aufklärung der Sache für erforderlich hält, zur mündlichen Beantwortung vorlegen kann… . Eine Ladung des Sachverständigen Dr. G… ist vorliegend nicht erfolgt, obwohl die Beklagte dies im Schriftsatz vom 22.02.2016 für den Fall, dass das Landgericht nicht ohnehin einen Austausch des Sachverständigen vornehme, ausdrücklich beantragt hat. Diesen Antrag hat die Beklagte im Termin zur mündlichen Verhandlung am 18.10.2016 konkludent mit ihrem Hinweis wiederholt, dass sie bereits zuvor schriftsätzlich beantragt habe, den Sachverständigen zum Zwecke seiner Anhörung zu laden. Dem Senat ist auch nicht nachvollziehbar, warum das Landgericht dem Antrag der Beklagten nicht nachgekommen ist. Ausführungen hierzu finden sich im Urteil nicht. Auch ein rechtsmissbräuchliches Verhalten der Beklagten… ist nicht ersichtlich.“

Fazit zur Sachverständigenanhörung

Das rechtliche Gehör ist ein bedeutendes Gut. Die Anhörung des Sachverständigen stellt ein starkes und wichtiges prozessuales Mittel dar. Immer wieder führt es zu einer Konkretisierung oder sogar Korrektur des Falles. Ebenso kommt es aber vor, dass Parteien ihre rechtlich tatsächlich aussichtslose Situation nicht akzeptieren können und Kosten und Dauer des Gerichtsverfahrens unnötig erhöhen. Eben weil das Gut des rechtlichen Gehörs so kostbar ist, muss es mit Maß und ausreichend Achtung und Respekt eingesetzt werden.


Die Expertin

Foto: Privat

Ra Dr. Susanna Zentai
ist Rechtsanwältin in der Kanzlei Dr. Zentai – Heckenbücker in Köln und als Beraterin sowie rechtliche Interessenvertreterin (Zahn-)Ärztlicher Berufsvereinigungen tätig.
kanzlei@d-u-mr.de