Praxisverkauf

Auf die Formulierung kommt es an

Der Kaufvertrag „über den Patientenstamm“ einer Zahnarztpraxis ist, so der Bundesgerichtshof, gemäß § 134 BGB nichtig, weil darin, anders als bei einem Kaufvertrag über eine Zahnarztpraxis im Ganzen, ein Verstoß gegen Standesrecht liegt (BGH, Beschluss v. 9.11.2021 – VIII ZR 362/19).



Im vorliegenden Fall schlossen die Parteien einen Kaufvertrag über den Patientenstamm der Beklagten, nach welchem sich die Beklagte verpflichtete, dem Kläger einerseits ihre Patientenkartei zu übergeben und andererseits etwaige Werbemaßnahmen vorzunehmen, insbesondere ihren Patienten die Fortsetzung der Behandlung durch den Kläger in einem Rundschreiben zu empfehlen und sie zu bitten, diesem zukünftig ihr Vertrauen zu schenken – im Gegenzug sollte der Kläger der Beklagten 12.000 € als Kaufpreis zahlen. Die Beklagte verweigerte jedoch die Erfüllung dieses Vertrages, nachdem sie eine Auskunft der Landeszahnärztekammer eingeholt hatte.
Nach Auffassung unseres höchsten Zivilgerichts ist ein solcher Kaufvertrag gem. § 134 BGB nichtig, da er gegen ein Verbotsgesetz, konkret § 8 Abs. 5 der Berufsordnung für die Bayerischen Zahnärzte, verstößt. Nach dieser Vorschrift ist es Zahnärzten nicht gestattet, für die Zuweisung von Patienten oder Untersuchungsmaterial ein Entgelt oder sonstige wirtschaftliche Vergünstigungen selbst zu versprechen oder zu gewähren oder sich versprechen oder gewähren zu lassen.

Vorliegen einer Zuweisung gegen Entgelt gem. § 8 Abs. 5 der Berufsordnung
Eine Zuweisung im Sinne von § 8 Abs. 5 der Berufsordnung meint jede Einwirkung auf den Patienten mit der Absicht, dessen Wahl unter Ärzten oder anderen Leistungserbringern zu beeinflussen. Dabei kommt es nicht auf das gewählte Mittel, sondern auf die Intention des Zahnarztes an. Die Intention der Beklagten liegt hier gerade darin, in der Absicht auf die Patienten einzuwirken, diese zu einer Fortsetzung ihrer Behandlung durch den Kläger durch etwaige Werbemaßnahmen, insbesondere durch das vereinbarte Rundschreiben und die Empfehlung ihres Nachfolgers, zu bewegen. Die von der Beklagten auszusprechende Empfehlung an ihre Patienten stellt folglich eine solche Zuweisung dar.

Ungerechtfertigte Wettbewerbsvorteile
Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass der Kläger der Nachfolger der Beklagten nach deren Praxisaufgabe ist. § 8 Abs. 5 der Berufsordnung ist nicht dahingehend einzuschränken, dass eine Zuweisung an einen Nachfolger im Zusammenhang mit der Aufgabe einer Arztpraxis nicht von der Vorschrift umfasst ist. Für eine solche Einschränkung fehlt es an einer planwidrigen Regelungslücke, der Wortlaut der Vorschrift ist dahingehend deutlich, dass das Verbot ohne jede Einschränkung gilt. Auch der Schutzzweck der Norm lässt eine solche Einschränkung nicht zu: geschützt ist nicht nur die freie Arztwahl des Patienten, sondern auch die ärztliche Unabhängigkeit und das Vertrauen des Patienten in die Sachlichkeit ärztlicher Entscheidungen. Außerdem soll die Norm verhindern, dass Ärzte sich ungerechtfertigte Wettbewerbsvorteile gegenüber ihren Kollegen verschaffen. Diese Schutzzwecke sind bei solchen Werbemaßnahmen gegen die Gewährung von Entgelt jedoch tangiert. Eine solche Empfehlung anderer Leistungserbringer soll allein aufgrund medizinischer Erwägungen im Interesse des Patienten getroffen werden – nicht, weil der Arzt gegen Entgelt dazu verpflichtet ist. Auch von Verfassungswegen ist keine Einschränkung der Norm geboten. Es kann dahinstehen, ob überhaupt ein Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit der Ärzte aus Art. 12 GG durch das Verbot der Veräußerung des Patientenstamms vorliegt, da ein solcher in jedem Fall durch die eben genannten Schutzzwecke gerechtfertigt wäre. Auch die Eigentumsfreiheit aus Art. 14 GG gebietet keine Einschränkung der Vorschrift, da der Patientenstamm keine geschützte Rechtsposition darstellt. Auch die allgemeine Lebenserfahrung, dass die Patienten in der Regel von einem Arzt, der seine Praxis aufgibt, erwarten, dass dieser seinen Nachfolger empfiehlt, steht der Annahme einer Zuweisung nicht entgegen.
Der im Kaufvertrag vereinbarte Kaufpreis in Höhe von 12.000 € ist ein Entgelt im Sinne von § 8 Abs. 5 der Berufsordnung. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass ein Teil des Entgelts auf die ebenfalls im Vertrag vereinbarte Veräußerung der Domain entfällt, da das Entgelt jedenfalls auch für die Vornahme der unzulässigen Werbemaßnahmen vereinbart war. Der erforderliche Zusammenhang zwischen Entgelt und Zuweisung ergibt sich unmittelbar aus der von den Parteien getroffenen schriftlichen Vereinbarung.

Fazit
Der Verkauf lediglich des Patientenstamms, wie im vorliegenden Fall, ist damit regelmäßig nicht möglich. Die Berufsordnungen aller Landeszahnärztekammern enthalten identische oder ähnliche Regelungen. Zudem sind die Regelungen der §§ 299 a und b StGB zu beachten. Der BGH differenziert sehr deutlich zwischen der in seinen Augen unzulässigen Veräußerung des Patientenstamms und der Veräußerung einer Arztpraxis:
Faktisch führt das dazu, dass einem Zahnarzt die isolierte wirtschaftliche Verwertung seines Patientenstamms nicht möglich ist. Bei einem Patientenstamm, so das Gericht, handelt es sich, anders als bei einer Arztpraxis auch nicht um eine dem „veräußernden Arzt“ zugeordnete und von Art. 14 Abs. 1 GG grundrechtlich geschützte Rechtsposition. Wird die Praxis hingegen als Gesamtheit, d.h. mit Anlagevermögen, unter Übernahme der Räumlichkeiten und der laufenden Verträgen sowie des Personals (siehe § 613a BGB) veräußert, zahlt der Erwerber das Entgelt nicht für die Zuweisung von Patienten sondern für das „Unternehmen Praxis“. Der in der Patientenbindung bestehende ideelle Wert geht in diesem Zuge mit über und ist Bestandsteil des Unternehmenskaufs.
Auch in solchen Verträgen sollte aber davon abgesehen werden, konkrete Überleitungsmaßnahmen verpflichtend zu vereinbaren. Ein Informationsschreiben an die eigenen Patienten, in dem die Aufgabe der Praxis mitgeteilt und die Patienten über den neuen Betreiber unterrichtet werden, wird in diesem Kontext jedoch anders zu beurteilen sein, als die Verpflichtung des Verkäufers, den Patienten die Weiterbehandlung durch den Erwerber dringend zu empfehlen.