Finanzen

Befreiung nur für bestimmte Leistungen

Die zahnärztliche Praxis ist ein Unternehmen im Sinne des Umsatzsteuergesetzes, somit unterliegen die Leistungen des Zahnarztes grundsätzlich der Umsatzsteuer – allerdings sieht der Gesetzgeber für bestimmte Leistungen eine Befreiung von dieser vor: Bei solchen Leistungen muss immer ein therapeutisches Ziel gegeben sein.



Die Abgrenzung der Heilbehandlung von anderen Behandlungen ist in der Praxis teilweise schwierig. Nach der Rechtsprechung gehören zur umsatzsteuerfreien Heilbehandlung alle Tätigkeiten, die zum Zweck der Vorbeugung, Diagnose, Behandlung und – soweit möglich – zur Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen bei Menschen vorgenommen werden.

Die von der Umsatzsteuer befreiten Leistungen müssen dem Schutz des Betroffenen dienen. Dies gilt unabhängig davon, welche konkrete Leistung erbracht wird (Untersuchung, Therapie oder gutachterliche Tätigkeit), für wen sie erbracht wird (Patient, Gericht, Sozialversicherung) oder wer sie erbringt (selbständiger oder angestellter Zahnarzt). Wichtig bleibt nur, dass ein therapeutisches Ziel im Vordergrund steht.

Nun gibt es auch in einer Zahnarztpraxis eine Reihe von Leistungen, die von vornherein immer der Umsatzsteuer unterliegen. Dazu gehören unter anderem der Verkauf von Hilfsmitteln, wie Mundhygieneartikeln, Interdentalbürsten oder Zahnschmuck. Auch die Lieferung oder die Herstellung von Zahnprothesen sowie kieferorthopädischen Apparaten und Vorrichtungen wird von der Umsatzsteuer erfasst, soweit diese im Eigenlabor des Zahnarztes hergestellt werden.

Ebenso nicht von der Umsatzsteuer befreit sind zahnärztliche Leistungen, bei denen eindeutig kein therapeutisches Ziel im Vordergrund steht. Dies trifft insbesondere für zahnästhetische Leistungen zu. Da die Steuerbefreiung vom Steuerpflichtigen nachzuweisen ist, gehen die Finanzämter gerne dann von einer Umsatzsteuerpflicht aus, wenn die Kosten regelmäßig nicht von der Krankenkasse übernommen werden.

Bei Zahnärzten sind daher Leistungen der Zahnästhetik wie beispielsweise kosmetische Behandlungen, Bleaching oder die kosmetisch indizierte Versorgung gesunder Zähne mit Veneers mit Umsatzsteuer zu belasten.

Will der Zahnarzt dennoch für zahnästhetische Leistungen eine Umsatzsteuerbefreiung in Anspruch nehmen, liegt die Beweislast für das Vorliegen einer Heilbehandlung bei ihm selbst. Gelingt dies nicht, drohen ihm im Nachhinein mitunter hohe Umsatzsteuernachzahlungen.

Verlangensleistungen nach GOZ 2012

Mit Einführung der GOZ 2012 wurde die Diskussion um die Umsatzsteuerpflicht zahnärztlicher Leistungen neu angefacht. Nach § 1 Abs. 2 GOZ 2012 darf der Zahnarzt Vergütungen nur für Leistungen berechnen, die nach den Regeln der zahnärztlichen Kunst für eine zahnmedizinisch notwendige Versorgung erforderlich sind. Darüber hinausgehende Leistungen darf der Zahnarzt nur berechnen, wenn sie auf Verlangen des Zahlungsverpflichteten erbracht werden.

Nach § 2 Abs. 3 GOZ 2012 müssen diese Zusatzleistungen jetzt schriftlich vereinbart werden. In der Steuerfachliteratur wird seitdem darüber diskutiert, ob die Verlangensleistungen damit automatisch der Umsatzsteuer unterliegen, da sie über das medizinisch notwendige Maß hinausgehen. Diese Frage lässt sich nicht pauschal mit ja oder nein beantworten. Grundsätzlich könnte ein Finanzbeamter aus einer Leistung, die dadurch gekennzeichnet ist, dass sie über „das Maß einer medizinisch notwendigen zahnärztlichen Versorgung hinausgeht“, den Schluss ziehen, dass ein therapeutisches Ziel im umsatzsteuerlichen Sinn dann nicht gegeben ist. Die umsatzsteuerliche Einordnung dieser zahnärztlichen Verlangensleistungen ist aber komplexer.

Die Übernahme der Kosten einer Leistung durch die Krankenkasse ist zwar regelmäßig ein Indiz für die Umsatzsteuerbefreiung. Andererseits darf aus der fehlenden Kostenübernahme nach der Rechtsprechung nicht die Schlussfolgerung gezogen werden, dass die Leistung umsatzsteuerpflichtig ist. Als Beispiel hierfür kann die professionelle Zahnreinigung gesehen werden. Eine regelmäßige PZR ist ein wissenschaftlich anerkannter Teil der zahnärztlich empfohlenen Prophylaxe. Sie dient dem Schutz der Zahngesundheit und ist damit therapeutisch indiziert – unabhängig davon, dass diese Leistungen zu den Eigenleistungen gehören können und das Honorar vom Patienten selbst gezahlt werden muss. Die PZR bleibt dennoch umsatzsteuerfreie zahnärztliche Leistung.

Ein weiterer Grenzfall ist die kieferorthopädische Versorgung über den von der Krankenkasse gezahlten Standard an Materialien hinaus. Werden zum Beispiel statt herkömmlicher Brackets Edelstahlbrackets, Brackets aus zahnfarbenen Materialien oder Lingualbrackets verwendet, trägt der Patient die Kosten hierfür regelmäßig selbst.

Es stellt sich die Frage, ob nun diese Leistung mit Umsatzsteuer abzurechnen ist, da neben der medizinischen Indikation auch eine ästhetische Motivation für das höherwertige Material hinzugekommen ist. Wenn und solange der Zahnarzt es vertreten kann, dass die Leistung primär zahnmedizinisch veranlasst ist und ästhetische Motive lediglich hinzukommen, kann er insgesamt die Umsatzsteuerfreiheit der zahnärztlichen Leistung beanspruchen, und sich dabei auf ein Urteil des FG Münster (vom 8.9.2009, AZ 5 K 3451/07) berufen.

Dort wurde auch bei Lasik-Operationen die Umsatzsteuerfreiheit bescheinigt, wenn eine OP medizinisch indiziert ist und der ästhetisch bedingte Wunsch des Patienten, keine Brille tragen zu wollen, hinzukommt. In jedem Fall sollte der Zahnarzt aber darauf achten, die medizinische Indikation auch sorgfältig zu dokumentieren.

Umsatzsteuerfalle bei der Praxisabgabe

Aufgrund einer Entscheidung des europäischen Gerichtshofs aus dem Jahr 2009 ist seit 2011 in Deutschland der sogenannte „Goodwill“ oder immaterielle Wert einer zahnärztlichen Praxis nicht mehr von der Umsatzsteuer nach § 4 Nummer 28 UStG befreit. Hier drohen hohe Umsatzsteuerabgaben im Fall der Übertragung des Goodwills, etwa bei der Praxisabgabe. Aus umsatzsteuerlicher Sicht muss der Zahnarzt drei Fälle unterscheiden.

1. Überträgt der Zahnarzt seine gesamte Praxis mit Einrichtung, medizinischen Geräten und dem Patientenstamm, so bleibt der Verkauf weiterhin ohne Umsatzsteuerbelastung. Aus umsatzsteuerlicher Sicht liegt dann eine sogenannte Geschäftsveräußerung im Ganzen vor, die stets ohne Umsatzsteuer abzuwickeln ist. Gleiches gilt für den Fall, dass der Zahnarzt seine Praxis in eine BAG einbringt und später seinen Praxisanteil insgesamt verkauft.

2.  Überträgt der Zahnarzt hingegen nicht die gesamte Praxis, sondern nur einen Praxisteil, liegt der Fall anders. Beispiel: Zahnarzt Dr. A will kürzer treten und verkauft einen Teil seiner Praxis an einen jungen Kollegen für einen Preis von 400.000 Euro, davon entfallen 100.000 Euro auf Einrichtung und Geräte sowie 300.000 Euro auf den „Goodwill“. Mit dem Kollegen teilt er sich künftig Räume und Personal in Praxisgemeinschaft. Die Honorare vereinnahmen beide Partner weiterhin getrennt.

3. Ein Sonderfall liegt vor, wenn der Zahnarzt Praxen an verschiedenen Standorten betreibt und einer dieser Standorte veräußert werden soll. Dann bleibt die Übertragung von materiellen und immateriellen Werten dieses Standorts von der Umsatzsteuer verschont, wenn der veräußerte Standort wirtschaftlich und organisatorisch selbständig geführt worden ist und das verkaufte Vermögen für eine Fortführung der wirtschaftlichen Tätigkeit ausreicht. Der Gesetzgeber begünstigt in diesem Fall auch die Veräußerung abgeschlossener Teilbetriebe und verschont den Praxisinhaber vor unerwünschter Belastung. Wenn Unsicherheit besteht, ob die Voraussetzungen für einen selbständigen Teilbetrieb gegeben sind, kann vor der Übertragung eine Selbstauskunft bei der Finanzverwaltung eingeholt werden.

Thomas Karch arbeitet als Wirtschaftsprüfer und Steuerberater für die VPmed Karch und Kuhnert Partnerschaft/Steuerberatungsgesellschaft in Krefeld. Er berät bundesweit Ärzte aller Fachrichtungen, Zahnärzte sowie andere Heilberufe in allen wirtschaftlichen, finanziellen und steuerlichen Fragen. Kontakt: t.karch@vpmed.de