Expertenzirkel – ein Thema, drei Meinungen

Okklusionsonlays versus Krone und Teilkrone

Klassische Kronenpräparationen sind sehr invasiv, Präparationen für die Versorgung mit Verblendkronen noch invasiver. Bei beiden Restaurationsformen droht das Risiko eines Vitalitätsverlustes der Pulpa. Minimalinvasiver lässt sich dagegen mit Okklusionsonlays arbeiten. Wie unterscheiden sie sich von herkömmlichen Teilkronen? Halten diese auch bei extrem dünnen Keramikschichten im Okklusionsbereich? Wann sind sie indiziert, wann kontraindiziert? Wie hoch ist der Aufwand? Und wann sind herkömmliche Kronen oder Kompositrestauration die bessere Wahl?



Was läuft bei Okklusionsonlays anders als bei Teilkronen und Kronen?
Ahlers: Okklusionsonlays unterscheiden sich von herkömm‧lichen Teilkronen und Kronen durch ihre geringere Extension nach zervikal. Dabei sind Okklusionsonlays auf die Bedeckung der Kaufläche beschränkt und enden maximal im Bereich der weitesten Zirkumferenz (Äquator). Zudem werden klassische Teilkronen für Metallrestaurationen retentiv präpariert, wie beispielsweise von Shillingburg [1] vorgegeben. Keramische adhäsiv zu befestigende Teilkronen werden davon abweichend mit gerundeten Übergängen und größeren Präparationswinkeln präpariert; die entsprechenden Präparationsrichtlinien dafür hatte ich einst mit einer multizentrischen Autorengruppe erarbeitet und veröffentlicht [2]. Keramische und metallene Teilkronen ersetzen zudem mehr Zahnvolumen als Okklusionsonlays, wie Prof. Edelhoff in seinen Studien in den USA gemessen hatte [3]. Bei Kronen verläuft die Präparationsgrenze zirkulär supra-/para- oder subgingival. Dabei sind der Substanzverlust und dadurch auch die Gefährdung der Pulpa durch die Präparation am größten.

Zahnsubstanz mit Okklusionsonlays retten? Was genau heißt das in der Praxis?
Edelhoff: Ich habe in den Abb. 3 bis 8 eine Falldarstellung einer 40-jährigen Patientin mit einem umfangreichen Verlust der Vertikaldimension der Okklusion (VDO) dargestellt, die eine möglichst langzeitstabile Lösung wünschte. Für eine Ausgangssituation wie in Abb. 3 würde die Entscheidung für klassische Kronen oder Teilkronen zu viel Zahnhartsubstanzabtrag fordern. In unseren Untersuchungen konnten wir bis zu ca. 40% Zahnhartsubstanz erhalten, wenn die Therapieentscheidung getroffen wurde, anstelle einer klassischen Krone ein Okklusionsonlay zu verwenden. Entscheidend ist dabei eine defektorientierte Präparation, deren Präparationsrand möglichst nicht über die größte Zirkumferenz des Zahns hinausgeht und in den Unterschnitt eintritt, denn dies würde immens viel zusätzliche Zahnhartsubstanz kosten.

Bei welchen Indikationen plädieren Sie für diese minimalinvasive Alternative?
Ahlers: Generell sind Okklusionsonlays zur Wiederherstellung durch Erosionen und/oder Attritionen geschädigter Kauflächen indiziert. Die eingeschränkte Extension der Präparation reduziert den Zahnhartsubstanzverlust bei der Präparation. Dies schützt die Pulpa und ist insofern „minimalinvasiv“.

Okklusionsonlays sind sehr dünn, das schürt bei so manchem Anwender die Sorge, sie seien instabil. Was ist da dran?
Edelhoff: Gewisse Richtlinien bei der Präparation für ein Okklusionsonlay – z. B. aus Lithiumdisilikatkeramik (LS2) sind selbstverständlich einzuhalten. Nach wie vor gilt die vom Hersteller der Keramik, IvoclarVivadent, im Kaulast tragenden Bereich geforderte okklusale Mindeststärke von 1 mm bei monolithischer Gestaltung als empfehlenswert.

Ahlers: Und 1 mm im Kaulast tragenden Bereich ist keineswegs „hauchdünn“. In der Praxis ist dies übrigens weniger kritisch, weil Okklusionsonlays in der Regel Kauflächen restaurieren, von denen in erheblichem Maße Zahnhartsubstanz verloren gegangen ist. Die Behandlung mit Okklusionsonlays zielt dabei auf die Wiederherstellung der Zahnkonturen und der vertikalen Dimension ab. Infolge des vorangegangenen Substanzverlustes bedarf es für die Präparation lediglich der geeigneten Konturierung des Zahns, um haltbare Restaurationen zu ermöglichen. In diesen Fällen muss der Zahnarzt demnach nicht 1 mm Zahnhartsubstanz entfernen, um 1 mm dicke Okklusionsonlays eingliedern zu können. Im Vergleich dazu liegt die Indikation von Teilkronen und Kronen primär in der Behandlung von Folgeschäden der Karies mit tiefen approximalen und/oder weit nach zervikal reichenden orovestibulären Defekten.

Dünner als 1 mm sollten die Okklusionsonlays aus Lithiumdisilikat demnach nicht sein?
Edehoff: Zurzeit rate ich davon noch ab. Obwohl mehrere In-vitro-Untersuchungen abhängig von der unterstützenden Struktur (Zahnschmelz oder Dentin) geringere Schichtstärken für möglich halten, fehlt es uns zurzeit noch an klinischen Langzeitstudien. Da für manche weniger feste Glaskeramiken eine okklusale Mindestschichtstärke von 1,5 mm gefordert wird, klingt selbst 1 mm Schichtstärke für manche Anwender „sehr dünn“.

Wie steht es mit der Haltbarkeit im Okklusionsbereich?
Ahlers: Hinsichtlich der Haltbarkeit spielen verschiedene Faktoren eine Rolle, darunter die Materialeigenschaften der gewählten Keramik aus Lithiumdisilikat, ihre Herstellungsweise durch Pressen und Fräsen, die effektive Schichtdicke sowie patientenspezifische Faktoren. Hinsichtlich der Schichtstärke hatte ich ja gerade ausgeführt, dass diese nach Herstellerangaben nicht so dünn sein sollte. Bei Kaulast tragenden Restaurationen von 1 mm Stärke sind daher keine Einschränkungen in der Haltbarkeit zu erwarten.

Was schränkt dann die Haltbarkeit ein?

Was schränkt die Haltbarkeit ein?
Ahlers
: Vor allem die individuelle Belastung. Aus der Literatur sowie der von mir mitentwickelten Leitlinie Vollkeramische Restaurationen (S3) ist bekannt, dass die Verlustrate keramischer Restaurationen bei Bruxismus in etwa verdoppelt ist. Der Patient sollte vor der Behandlung darüber aufgeklärt werden. Im weiteren Verlauf hängt die Haltbarkeit dann allerdings davon ab, ob der Patient nochbruxismusaktiv ist oder nicht. Einen weiteren Faktor bildet das jeweilige Funktionsmuster des Patienten. Es macht einen erheblichen Unterschied, ob eine Restauration allein in statischer Okklusion belastet wird oder ob auch dynamische Okklusionskontakte auf ein Okklusionsonlay einwirken. Leider gehen solche Aspekte bei materialfixierter Betrachtung völlig unter. In unserer spezialisierten Schwerpunktpraxis in Hamburg-Eppendorf läuft eine Langzeitstudie über die Haltbarkeit entsprechender Restaurationen bei Patienten mit craniomandibulären Dysfunktionen nach erfolgreicher funktioneller Rehabilitation. Dabei zeigten rein okklusale Restaurationen sehr gute Haltbarkeiten – vergleichbar denen bei „normalen“ Patienten mit klassischen Keramikrestaurationen. Voraussetzungen dafür sind allerdings sehr ausgefeilte Behandlungskonzepte mit konsequenter Einstellung einer Front-Eckzahn-geschützten Okklusion und anschließendem Schutz der Restaurationen in der Nacht mittels entsprechender Okklusionsschienen unter Einstellung einer physiologischen Kieferposition und fortgesetztem Monitoring der Patienten.

Frau Meier, wie finden die Zahnärzte die neue Technik? Welches Feedback erhalten Sie?
Meier: Wir spüren, es gibt Vorbehalte gegenüber dieser neuen Behandlungsmethode. Kann ich okklusal so dünne Schichten überhaupt verantworten? Brechen die nicht leicht durch? Einige Anwender sind verunsichert und brauchen Erklärungen, die Sicherheit geben.

Wie reagieren Sie als Hersteller?
Meier: Wir empfehlen den Anwendern, entsprechende Fortbildungen zu besuchen. Es ist erfreulich, dass Themen wie Erosion/Abrasion, Verlust der vertikalen Dimension oder allgemein das Thema vollkeramische Restaurationen aktuelle Fortbildungsthemen sind. Wer sich konkret zu Okklusions‧onlays fortbilden möchte, wird sehr leicht Kurse dazu finden. Und wer sich gezielt für unser Okklusionsonlayset 4665ST und die ergänzenden Schallspitzen interessiert, den nehmen unsere Fachberater gerne an die Hand. Zudem kann unsere Okklusionsonlay-Broschüre angefordert werden, die wertvolle Informationen zu diesem neuen Behandlungskonzept bietet.
Angst braucht also niemand vor der neuen Technik zu haben. Sie will nur richtig erlernt sein – samt einem neuen Vertrauen in den Werkstoff Keramik – speziell Lithiumdisilikatkeramik – und den Adhäsivverbund.

Was kann schiefgehen? Gibt es zum Beispiel klare Kontraindikationen?
Edelhoff: Neben den üblichen auch für andere vollkeramische Restaurationen geltenden Kontraindikationen sollte das Weiterbestehen biokorrosiver Einflüsse ausgeschlossen sein, da durch ein Okklusionsonlay erhebliche Anteile der natürlichen Zahnhartsubstanz ungeschützt bleiben.

Ahlers: Das heißt Vermeidung übermäßigen Genusses saurer Nahrung, vor allem saurer Flüssigkeiten. Der Mensch ist nicht dafür gemacht, den ganzen Tag Softdrinks (oder Zitronensaft) mit einem pH-Wert von 2–3 zu trinken. Kontraindikationen sind zudem fortbestehende Bulimie sowie gastroösophagealer Reflux. In diesen Fällen sind dann eher Vollkronen indiziert. Kontraindikationen für jede Behandlung mit adhäsiv befestigten keramischen Restaurationen sind zudem Einschränkungen in der Mundhygiene, weil die Kompositklebefuge empfindlich auf Säureeinflüsse reagiert.

Edelhoff: Die meisten Hersteller geben für LS2 und vergleichbare Glaskeramiken auch Bruxismus als Kontraindikation an. Diese Einschätzung kann ich dieser Form nicht teilen.

Ahlers: Das sehe ich auch so, denn für den Zahnarzt ist fortdauernde Bruxismusaktivität schwer einschätzbar. Allein die Existenz von Schlifffacetten beweist nicht, dass Bruxismus noch andauert. Patienten können nach Phasen starker bruxistischer Aktivität auch wieder normal „funktionieren“. Und umgekehrt kann sich Bruxismus auch nach der Eingliederung von Restaurationen entwickeln. Bruxismus als Kontraindikation anzugeben entlastet daher den Hersteller der Keramik von Risiken und verlagert diese auf den Zahnarzt. Die sachgerechte Lösung wäre es, dass die Hersteller bei Bruxismus eine eingeschränkte Indikation deklarieren und in dem Fall nicht für die Haltbarkeit haften, aber auch keine Kontraindikation aussprechen.

Bruxismus als Risiko: Was gilt es dabei generell zu beachten?
Edelhoff: In einer kontrollierten prospektiv angelegten klinischen Langzeitstudie an der LMU München haben wir sehr viele Patienten mit Bruxismus im Rahmen komplexer Rehabilitationen mit monolithischen LS2-Okklusionsonlays versorgt. Bei Beobachtungsdauern bis zu zehn Jahren wurden bislang hervorragende Ergebnisse erzielt. Erfolgsfaktoren sind nach meiner Meinung ein ad‧äquates Front-Eckzahn-geschütztes Okklusionskonzept mit ausreichenden Freiräumen in der Zentrik und flach gestalteten Führungsflächen. Elementar wichtig ist auch die Schutzschiene für die Nacht. Einen großen Risikofaktor stellen in diesem Zusammenhang allerdings endodontisch behandelte Zähne mit einem umfangreichen Zerstörungsgrad dar.

Ahlers: Die einschlägige Leitlinie Vollkeramikrestaurationen (S3) stellt fest, dass eine Behandlung beispielsweise mit monolithischen Restaurationen aus Lithiumdisilikatkeramik durchaus erfolgen kann, wenn der Patient über die erhöhte Verlustrate bei Bruxismus informiert ist und der spätere Schutz der Restaurationen mit einer nachts zu tragenden Okklusionsschiene empfohlen wird. Für den Einsatz glaskeramischer Restaurationen aus monolithischem Lithiumdisilikat spricht zudem aus meiner Sicht, dass dessen Verschleißverhalten weitgehend schmelzidentisch ist. Das Material „stört“ also nicht im Kauorgan, verhindert aber die sonst nach Verlust der Schmelzbedeckung eintretende Progression des Zahnverschleißes. Hintergrund: Patienten mit Biokorrosion verlieren – gerade bei pathologischem Zahnverschleiß und freiliegendem Dentin – ohne die Okklusionsonlays viel schneller Zahnhartstubstanz.

Gegen noch härtere Materialien spricht aus meiner Sicht, dass die eingeleiteten Kräfte sonst in den empfindlicheren Zahnhalteapparat abgeleitet werden. Frau Prof. Gierthmühlen, Universität Düsseldorf, konnte in ihrer Freiburger Zeit nachweisen, dass bei Überschreiten der Belastungsgrenze dünnschichtige okklusale Keramikrestaurationen innerhalb der Restaurationen frakturieren; die darunterliegenden Zähne bleiben intakt. Im Vergleich dazu verläuft bei dickeren Schichtstärken der Glaskeramik die Frakturlinie durch den Zahn mit dem Risiko des Totalverlusts des darunterliegenden Zahns. Aus Sicht des Zahnerhalts spricht also viel dafür, eher mit dünneren Restaurationen aus Lithiumdisilikat zu arbeiten und im Zweifel nach überkritischer Belastung eher die Restauration zu ersetzen als den Zahn.

Unterschiede bei der Präparation

Kommen wir zur Präparation von Okklusionsonlays. Was läuft dabei anders als bei Teilkronen und Kronen?
Edelhoff: Eine unverzichtbare Voraussetzung, insbesondere bei komplexen Rehabilitationen, ist ein zuvor angefertigtes diagnostisches Wax-up. Die Präparationen sollten immer durch ein Wax-up-Modell, eine Tiefziehfolie oder einen Silikonschlüssel – abgeleitet vom Wax-up – vorgegeben werden. Auf diese Weise wird nur die Zahnhartsubstanz abgetragen, die für die Mindestschichtstärke des Okklusionsonlays (1 mm) benötigt wird. Spezielle Präparationsinstrumente sind ein wichtiger Punkt zur „Ökonomisierung des Zahnhartsubstanzabtrags“. Vor dem Hintergrund einer stetigen Ausweitung vollkeramischer Restaurationen und der CAD/CAM-Fertigung halte ich viele klassische Präparationssets für nicht mehr zeitgemäß. Sie sind häufig noch auf metallbasierte Voll- oder Teilkronentechniken abgestimmt. In den Abbildungen 4 bis 6 sehen Sie zeitgerechte Schleifkörper und Schallspitzen mit neuen Geometrien, die auf die Anforderungen der aktuellen zahnfarbenen Materialien und Herstellungsmethoden abgestimmt sind.

Ahlers: Ich sehe es auch so: Herkömm‧liche zahnärztliche Präparationsinstrumente sind für Restaurationen mittels Metalllegierungen entwickelt worden. Mit dem Übergang zu keramischen Restaurationen wurden diese insoweit verändert, als scharfkantige konische oder zylindrische Schleifer an den Übergängen abgerundet wurden. Für die Präparation von Okklusionsonlays ist es aber sinnvoll, von vornherein weniger invasiv und im Kauflächenbereich „runder“ zu präparieren. Daher sollten dafür spezielle Präparationsinstrumente eingesetzt werden. Voraussetzung ist ein entsprechendes Präparationskonzept (siehe Kasten II, Präparationskonzept).

Eine Herausforderung an die Industrie! Welche Kriterien waren Ihnen bei der Instrumentenentwicklung wichtig?
Meier: Natürlich braucht es gezielt Instrumente, die die Anforderungen an spezielle Geometrien bei der Präparation einhalten können. Das beginnt gleich beim ersten Behandlungsschritt, der kontrollierten Markierung der geplanten okklusalen Eindringtiefe. Die punktförmige Lasermarkierung am Diamant‧instrument 855D – die bei Rotation zur Linie wird – zeigt an, ob man wirklich den gewünschten Millimeter eingedrungen ist. Nach Anbringen der okklusalen Orientierungsrillen wird dasselbe Instrument bei geneigter Ausrichtung zur Reduktion der okklusalen Flächen eingesetzt. Dabei ist es wichtig, dass die Höcker-Fossa-Relation beibehalten wird. Damit liefert der 855D enorme Sicherheit. Ein weiteres Spezialinstrument, den OccluShaper, entwickelten wir zur Gestaltung der Okklusalfläche. Wir betrachteten die weit verbreitete Arbeitsweise, die okklusale Reduktion mit einem horizontal angelegten Präparationsdiamanten vorzunehmen, was durchaus Risiken birgt. Wird in der Okklusion nicht unter Bewahrung der Höcker-Fossa-Relation anatomisch korrekt und unter Einhaltung der Mindeststärken präpariert, kann es zu Brüchen der Restauration kommen. Die Occlu‧Shaper formen die Kaufläche anatomisch korrekt aus. Keramische Präparationen erfordern abgerundete Konturen. Okklusal ist zentral eine konkave Form, im Bereich der ehemaligen Höcker sind konvexe Formen erforderlich. Der OccluShaper verbindet all dies und ist ein wunderbares Hilfsmittel für einfaches, anatomisch korrektes Einkürzen. Das Instrument (Figur 370) gibt es sogar in zwei Größen, also für Prämolaren und Molaren. Ein formkongruenter Finierer (Figur 8370) ermöglicht anschließend die Glättung der Oberfläche, ohne die Form zu verändern. Ohne die genannten speziellen Instrumente war die Präparation von Okklusionsonlays bisher technisch schwierig. Der Zahnarzt muss nur eingefahrene Behandlungsmuster überwinden.

Noch weniger invasiv als Okklusionsonlays dürften Kompositrestaurationen sein …
Edelhoff: Sie haben vollkommen recht. Kompositrestaurationen können durchaus rein additiv, also ganz ohne oder nur mit minimaler Präparation (Abschrägungen) eingesetzt werden. Grundsätzlich ist es nach meiner Ansicht eine Frage der Kosten, der praktischen Fähigkeiten des Zahnarztes und der gewünschten Haltbarkeit.

Wann sind sie den Okklusionsonlays vorzuziehen? Was sind die Unterschiede?

Edelhoff: Man kann es vielleicht auf folgende Punkte herunterbrechen:

  • Direkte Kompositrestaurationen sind kostengünstiger und weniger invasiv. Sie verlangen allerdings viel Erfahrung und praktische Fähigkeiten vonseiten des Zahnarztes. Die Stabilität bei komplexen Rehabilitationen mit Veränderung der VDO ist ungünstiger als bei Keramikrestaurationen.
  • Indirekte Keramikrestaurationen eignen sich besser für komplexe Rehabilitationen, wenn eine genaue und langfristig stabile Okklusion, Form und Farbe erwünscht ist. Die Kosten sind deutlich höher, da zahlreiche Arbeitsschritte herstellungsbedingt in das zahntechnische Labor übertragen werden.

Ahlers: Ich sehe das etwas kritischer. Was Sie mit Ihrer Frage vermutlich meinen, ist, dass die Präparation für Kompositrestaurationen noch schonender erfolgen kann?

Ist das nicht so?
Ahlers: Zunächst ist es eine Frage der Schichtstärke: Da fordern bei keramischen Restaurationen die Hersteller der Keramiken als Medizinprodukt eher konservative Mindestschichtstärken, um nicht für Frakturen zu haften. Komposite sind zwar auch Medizinprodukte, aber niemand käme auf die Idee, die Fraktur einer hauchdünnen Kompositrestauration dem Hersteller anzulasten. Also darf man sie dünner ausarbeiten. Kompositrestaurationen können in direkter Verarbeitung im Mund zwar noch dünner ausgearbeitet werden. Die Frage ist nur, ob bei diesen dünnen Schichtstärken vergleichbare Haltbarkeiten realisiert werden. Meine Erfahrung spricht dagegen.

Bei ausreichenden Schichtstärken hingegen halten Restaurationen aus Lithiumdisilikat besser. So ergibt sich aus den Daten unserer klinischen Langzeitstudie mit okklusionsbedeckenden Repositionsonlays aus LS2 im Vergleich zu gleich starken Restaurationen aus Kunststoffen, dass die Repositionsonlays aus Lithiumdisilikat deutlich besser halten.

Abgesehen von den Schichtstärken und Materialeigenschaften wirken sich zudem die Umstände der Behandlung im direkten oder indirekten Verfahren auf die Ergebnisse aus. So hat die Arbeitsgruppe der Universität Zürich ein direktes Verfahren zur intraoralen Rekonstruktion von Kauflächen mittels Kompositen beschrieben. Allerdings erfordert der Weg zu direkten Restauration in diesem Fall einen indirekten Zwischenschritt in Form eines Wax-ups, das anschließend in eine Negativform überführt wird, als Grundlage der direkten Ausformung im Mund. Bei diesem Vorgehen weicht die spätere Form nach Ausarbeitung und Politur aber fast immer leicht von der Planung ab, so dass bei bimaxillären Restaurationen nach der Behandlung eines Kiefers für den zweiten Kiefer ein erneutes Wax-up erforderlich wird. Gleichmäßige Kontakte kann man damit am Ende erreichen; bei instabiler Kieferposition und/oder Gelenkstellung hingegen ist eine kontrollierte Einstellung der Kieferposition so nicht zu erreichen. Das direkte Verfahren eignet sich daher nur für Patienten mit stabiler Kieferposition und Gelenkstellung. Konsequenz: Neben der Schichtstärke und den Materialeigenschaften hängt das Ergebnis auch von den Umständen der Verarbeitung ab.

Apropos Verarbeitung: Es gibt auch CAD/CAM-gefertigte Kompositokklusionsonlays. Was halten Sie davon?
Edelhoff: Ich ziehe, ehrlich gesagt, die keramische Lösung vor. CAD/CAM-gefertigte Komposit-Restauration sind eine interessante Alternative zu Keramiken, solange sie im Schutz von Nachbarstrukturen, z.B. Zahnschmelz, eingesetzt werden. Als Restaurationsmaterial für komplexe Rehabilitationen in Form kaulasttragender Okklusionsonlays habe ich damit leider keine zufriedenstellenden Langzeiterfahrungen gemacht. Vielleicht werden uns Materialmodifikationen in naher Zukunft diese Indikation besser erschließen.
Ahlers: Meine umfangreichen Erfahrungen mit okklusionstragenden keramischen Restaurationen speziell aus Lithiumdisilikat sind sehr gut; sie übertreffen – wie gesagt – deutlich die Haltbarkeit entsprechender Kunststoffrestaurationen. Vor diesem Hintergrund verwende ich inzwischen – wann immer möglich – bei okklusionstragenden Restaurationen die indirekten Restaurationen aus hochfesten Glaskeramiken. Entsprechende Vergleichszahlen aus indirekt gefertigten Kompositokklusionsonlays liegen mir noch nicht vor. Aufgrund des unterschiedlichen Temperaturausdehnungskoeffizienten von Zahnschmelz und Kompositen sowie der großen Oberfläche bin auch ich hinsichtlich dieser Verwendung von Kompositen vorerst skeptisch.

Angesichts der erörterten Vorteile sollten sich Okklusions‧onlays stärker durchsetzen als bislang. Wie schätzen Sie die Akzeptanz heute und in fünf Jahren ein?
Edelhoff: Okklusionsonlays besitzen ein enormes Potenzial und werden sich immer weiter durchsetzen. Der Erhalt unwiederbringlicher biologischer Strukturen und defektorientierte, häufig supragingivale Präparationen vereinfachen die gesamte Behandlung, angefangen beim Patienten (weniger belastend) bis zum Behandler (sicherere Abformung, auch im digitalen Verfahren).

Ahlers: Zudem verändern sich nach den Ergebnissen der fünften Mundgesundheitsstudie die Prävalenzen der verschiedenen Erkrankungen. Kurz zusammengefasst, geht die Karies erfreulicherweise zurück, was eine enorme Leistung der deutschen Zahnmedizin darstellt. Zugleich nehmen allerdings Zahnhartsubstanzschäden zu, die durch Biokorrosionen und Attritionen verursacht sind. Diese Defekte haben wir in der Form oder Häufigkeit in der Vergangenheit nicht gesehen, und sie bedürfen einer speziell darauf zugeschnittenen, möglichst wenig invasiven Behandlung. Genau dafür sind Okklusionsonlays entwickelt worden. Insofern gehe ich davon aus, dass die Zahl entsprechender Restaurationen in Zukunft zunimmt, zulasten klassischer Teilkronen und Kronen.

Wie überzeugen Sie Ihre Kollegen bzw. Kunden?
Meier: Ich sehe das ähnlich wie damals bei der Veneertechnik. Sie war neu, ungewohnt, die Praxen begegneten ihr mit Respekt und Vorbehalten. Sie musste reifen, Anwender mussten lernen, den dünnen Keramiken und der Adhäsion zu vertrauen. Genau den gleichen Weg werden Okklusionsonlays gehen. Im Kopf muss die Erkenntnis heranreifen: Der altbewährte Präparationsdiamant oder die altbekannte Ei-Form, mit der bisher okklusal die Fläche eingeschliffen wurde, ist überholt. Das ist ein erster Schritt. Dann folgt die Fortbildung. Den Technik- und Sinneswandel unterstützen wir von Komet durch Service und Aufklärung. Dazu gehören z.B. unsere Okklusionsonlaybroschüre, Produktinformationen mit klinischen Abläufen, Step-by-Step-Erläuterungen und immer wieder der Schulterschluss mit Experten. Das ergänzt die Fortbildung und hilft im praktischen Alltag.

Die Kosten

Kommen wir zu den Kosten.
Edelhoff: Die Kosten entsprechen in etwa denen herkömmlicher keramischer Teilkronen aus Glaskeramiken, da sowohl die Materialien als auch die zahnärztlichen und zahntechnischen Arbeitsschritte identisch sind.

Also wird es für die Patienten nicht günstiger?
Ahlers: Kaum. Die Kosten orientieren sich an denen für klassische keramische Teilkronen aus Glaskeramik mit adhäsiver Präparation. Voraussetzung ist allerdings gerade bei umfangreichen Zerstörungen die vorherige funktionelle Rehabilitation. Sonst beißt der Patient nach der Eingliederung der neuen Restaurationen anders zu als erwartet – das ist dann eine sehr schwierige Situation. Die Kosten für diesen Schritt treten aber in jedem Fall auf, unabhängig davon, ob in der nachfolgenden restaurativen Behandlungsphase Okklusionsonlays oder klassische Teilkronen oder Kronen zur Anwendung kommen.

Wichtig und häufig unzureichend berücksichtigt ist das nachfolgende Recall. Wie in der Parodontologie gilt es, die betreffenden Patienten auf Dauer in einem klinischen Monitoring zu halten um sicherzustellen, dass kleinere Schäden an entsprechenden Restaurationen sofort intraoral repariert werden. Zudem müssen wir abfragen, ob die Okklusionsschienen zum Schutz der entsprechenden Restaurationen regelmäßig getragen werde,n und prüfen, ob die Schienen ihre klinische Funktion weiterhin erfüllen. Dazu gehört auch, regelmäßig zu kontrollieren, ob Okklusionsschienen ungleichmäßig abgenutzt sind und ob sie klinisch eine veränderte Kieferposition einstellen; dies ist dann an der Okklusionsschiene zu korrigieren. Betrifft es erst die Keramik ist es dafür zu spät. 

Wird bei Okklusionsonlays die Farbwahl nicht komplizierter? Und spielt das Labor da mit?
Edelhoff: Auch da ist das Vorgehen im Wesentlichen identisch mit dem bei der Versorgung mit Keramikinlays und -teilkronen aus Glaskeramik. Das erleichtert es Zahnärzten, die neue Präparationsform in ihren Praxen einzuführen.

Ahlers: Es wird entsprechend vor der Präparation die Zahnfarbe ermittelt und anschließend nach der Präparation zusätzlich die Stumpffarbe bestimmt. Aus der Kombination beider Farbtöne ermittelt der Zahntechniker den entsprechenden Farbton und Transparenzgrad des verwendeten Keramikrohlings. In der Regel ist die Farbadaptation dieser Restaurationen exzellent. Bei der Einprobe prüfen wir zunächst mit entsprechenden TryIn-Pasten, um ggf. durch Anpassung des verwendeten Befestigungskomposits die Farbwirkung nachzujustieren.

Meier: Manchmal wir es schon schwierig. Wir hören dann: „Meinem Zahntechniker möchte ich den Farbverlauf im sichtbaren Bereich nicht zumuten. Das Resultat wäre ein unschöner Übergang, es gäbe bestimmt einen Farbbruch.“ Natürlich stehen Praxis und Labor vor einer Herausforderung. Doch im Sinne einer minimalinvasiven Zahnheilkunde sollte diese Herausforderung gemeinsam angenommen werden – daran darf Innovation nicht scheitern! Okklusionsonlays retten schlichtweg Zahnsubstanz.

Noch hat sich die Verwendung von Okklusionsonlays in der Praxis nicht durchgesetzt. Was kann helfen?
Edelhoff: Mehr Fortbildung! Zahnärzte sollten gegenüber diesen Konzepten offen sein und vermehrt Fortbildungen mit praktischen Übungen besuchen, um zeitgemäße minimalinvasive Restaurationmöglichkeiten zu erlernen und anzubieten. Die Nachfrage der Patienten wird in den nächsten Jahren stark steigen.

Ahlers: Ich schließe mich an. Mit den veränderten Schadensformen und -häufigkeiten entsteht auch der Bedarf an veränderten Behandlungen. Insofern ist es sinnvoll, wenn die Zahnärzte sich diesbezüglich fortbilden, um zeitgemäße Behandlungsangebote zu machen. Da die Patienten ein immer höheres Lebensalter erreichen, ist es aus meiner Sicht sinnvoll, restaurative Behandlungen so wenig invasiv wie möglich zu gestalten. Das Okklusionsonlay wird in dieser Hinsicht einen festen Platz in der restaurativen Zahnheilkunde erhalten. In der Zahnärztekammer Hamburg haben wir daher bereits entsprechende Kursangebote mit praktischen Übungen geschaffen. Diese werden sehr gut angenommen.

Was erhoffen Sie sich von der Wissenschaft?
Edelhoff: Mehr Evidenz durch In-vitro- und In-vivo-Untersuchungen für diese vielversprechende Versorgungsform.

Ahlers: Der Aufwand für klinische Forschung in dem Bereich geht weit über den Vergleich der Wirksamkeit von Medikament A oder Medikament B hinaus. Trotzdem erwarten die Verkehrskreise Untersuchungen nach diesem Standard, also kontrollierte randomisierte und verblindete Studien. Davon haben wir viel zu wenig. Das liegt aber in erster Linie daran, dass es so aufwendig und teuer ist, sie durchzuführen, und dass man dafür erfahrene Spezialisten braucht, damit nicht individuelle Qualifikationseinschränkungen das Ergebnis bestimmen. Dafür bieten sich Kooperationen von Kliniken mit spezialisierten Praxen an, zumal dort die notwendigen langen Beobachtungszeiten leichter realisiert werden können. Unsere Hamburger Langzeitstudie wird zum Beispiel durch Prof. Jakstat an der Universität Leipzig biometrisch betreut und ausgewertet. Zudem wäre es wünschenswert, die Forschung zu den Ursachen von Bruxismus zu stärken, denn mit den Okklusionsonlays behandeln wir die Folgen von Bruxismus und Erosionen.

Wie kann die Industrie unterstützen?
Edelhoff: Die Industrie sollte verstärkt zusammen mit den Hochschulen und Praxen die Entwicklung neuer Materialien und Konzepte zum Wohl des Patienten vorantreiben. Da sehe ich bei den Polymerkeramiken ein großes Potenzial, und es gibt bereits zahlreiche Erfolgsgeschichten.

Ahlers: Ich wünsche mir restaurative Werkstoffe, die erst nach der klinischen Erprobung mit ausreichend langer Beobachtungsdauer auf den Markt kommen – wie bei Medikamenten. Wenn dies nicht eingehalten wird, wird die EU durchsetzen, dass Medizinprodukte künftig wie Arzneimittel zuzulassen sind. Das ist nicht in unser aller Interesse. Von der Politik wünsche ich mir, dass sie die deutliche und verständliche Kennzeichnung saurer Getränke auf der Verpackung vorschreibt. Es kann nicht sein, dass der Brennwert der Produkte deklariert werden muss, der „Ätzwert“ aber nicht. Verbraucher sollten diese Information erhalten.

Meier: Mit dem Okklusionsonlayset ist Komet einen großen, wichtigen Schritt gegangen. Welche große Bedeutung die Technik für unser Unternehmen hat, zeigten wir, indem wir im Sommer 2017 die Schallspitzen SFM6 und SFD6 gleich nachlegten. Sie werden zum Glätten und Finieren der Approximalflächen eingesetzt und liefern absolut glatte Ergebnisse – im Gegensatz zu dünnen, rotierenden Instrumenten, die dazu neigen, „Girlanden“ zu erzeugen. SFM6 und SFD6 sind zudem so konstruiert, dass der Nachbarzahn bei der Präparation nicht verletzt werden kann. Sie sind längsseitig halbiert und nur einseitig diamantiert. Wir nennen sie liebevoll unser „Approximalschwert“. Gemeinsam mit dem OccluShaper können sie übrigens auch im Rahmen der Kronenstumpfpräpara‧tion eingesetzt werden und auch die Abläufe vereinfachen und das Ergebnis sicherer machen. Die Anforderungen an die Zukunft? Wir müssen mit der Zeit gehen. Alle Welt redet von Digitalisierung, in allen Lebenslagen ein großes Schlagwort. Der Fortschritt zeigt sich dabei oft im Kleinen. So lassen sich Okklusionsonlays bei der digitalen intraoralen Abformung sicherer scannen als weiter nach zervikal reichende Präparationen. Was an anderer Stelle für die Zahnmedizin kommt, wird sich herausstellen. Aber sicher ist, als führender Hersteller wollen wir dabei sein, Entwicklungen mitgestalten, mit schlauen Instrumenten zur Stelle sein, um neue Prozesse oder Materialien zu unterstützen.

Präparationskonzept

Präparationskonzept nach Ahlers und Edelhoff

  • Bei der Präparation geht man typischerweise davon aus, zunächst zu entscheiden, ob ein zusätzlicher Substanzabtrag im Kauflächenbereich erforderlich ist. In dem Fall sollte dieser mittels entsprechender Tiefmarkierer erfolgen.
  • Im weiteren Verlauf ist häufig in entsprechenden Fällen zunächst eine Vorpräparation erforderlich, um bei den teilweise recht zerstörten Okklusionsflächen die Grundform eines Okklusionsinlays vorzubereiten.
  • Danach sollte die eigentliche Formgebung erfolgen. Dafür eignen sich Instrumente besonders gut, die von der Geometrie her in einem Zug die Form der späteren Restauration vorgeben.
  • Im nächsten Schritt werden dann diese Flächen mittels gleich ausgeformter Finierer geglättet. Im Bereich der orovestibulären Flächen gelingt ein kontrollierter Substanzabtrag besonders gut mit Instrumenten mit Führungsspitze. Dabei ist es hilfreich, wenn die Instrumente vom Durchmesser und von der Länge her auf die entsprechende Aufgabe abgestimmt sind.
  • Es folgt dann die Approximalpräparation – wenn nötig. Im Idealfall sollte die Approximalpräparation ganz entfallen. Wenn nicht, bleibt ihre Stärke auf den Zahnschmelz beschränkt. Zahnärztlich stellt dies an die Präparationskunst extrem hohe Anforderungen, denn letztlich können die Approximalräume nur mit entsprechend dünnen Separierern geöffnet werden. Studierende und Experten benutzen dabei zum Schutz des Nachbarzahns entsprechende Matrizen …
  • Im darauffolgenden Schritt wird der Approximalbereich mit einem formkongruenten Finierer geglättet. Alternativ und vergleichsweise angenehmer gelingt diese Glättung und abschließende Formgebung mittels entsprechender Schallspitzen, die speziell für den Approximalbereich entwickelt wurden.
  • Am Schluss sind dann lediglich die Übergänge der okklusalen, orovestibulären sowie der Approximalbereiche sanft zu glätten.

Fallbeispiel

Fallbeispiel PD Dr. M. Oliver Ahlers

  • Ich habe vor kurzem einen 38-jährigen Softwarespezialisten behandelt (Abb. 9 bis 15), der schon in diesem jungen Alter die Schmelzbedeckungen der Schneidekanten sowie der Seitenzähne großflächig verloren hatte. Der hierdurch verursachte Schmerzgrad lag auf Reiz bei 7, bezogen auf eine Skala von 0–10 mit 10 als dem größten vorstellbaren Schmerz. Versuche, die Kauflächen zunächst noninvasiv mit Kompositen und entsprechend ausgefeilter Adhäsivtechnik zu versiegeln bzw. zu schützen, waren nicht erfolgreich; das Material ging jeweils nach kurzer Zeit wieder verloren und die Schmerzen traten erneut auf.
  • Da fortgesetzte Schäden im Bereich der Schneidekanten sich intensivierten, haben wir uns für eine funktionelle Rehabilitation und anschließende funktionskorrekte Restauration entschieden. Klinisch war die Situation durch ein grundsätzlich kariesresistentes Gebiss und weitgehend unbeschädigte Oral- und Vestibulärflächen bei fehlender Approximalkaries gekennzeichnet. Wir haben daher zunächst in einer funktionellen Vorbehandlung eine Stabilisation der Kieferposition erreicht.
  • Bei Entfernung der Schiene trat auf Reiz der Schmerz jedoch wieder auf. Wir haben daher anschließend die Seitenzähne mittels entsprechender Okklusionsonlays geschützt, sodass durch die Wiederherstellung der physiologischen Kieferrela‧tion und Vertikaldimension in statischer Okklusion die Bisslage abgestützt wurde. Dieses verbesserte die Voraussetzung dafür, dass in der Folge im Front- und Eckzahnbereich die natürliche Zahnlänge und Zahnform für die Führung in dynamischer Okklusion wiederhergestellt wurde.
  • Seit Abschluss der restaurativen Behandlung trägt der Patient eine Okklusionsschiene zum Schutz der Restaurationen und zur Stabilisierung der Funktion des craniomandibulären Systems. Der Patient ist jetzt schon seit mehreren Jahren vollständig beschwerdefrei – und ein Freund geworden.

Zusammenfassung

Zusammenfassung

  • Okklusionsonlays sind vor allem zur Wiederherstellung durch Biokorrosion (Erosion) und/oder Attritionen geschädigter Kauflächen indiziert. Sie unterscheiden sich von herkömmlichen Teilkronen und Kronen durch ihre geringere Extension nach zervikal.
  • Ein erheblicher Teil gesunder Zahnhartsubstanz kann erhalten werden, wenn anstelle einer klassischen Krone ein Okklusionsonlay verwendet wird.
  • Der Präparationsrand sollte möglichst nicht über die größte Zirkumferenz des Zahns hinausgehen und in den Unterschnitt eintreten. Im Zweifel erfolgt eine defektorientierte Präparation.
  • Die Schichtstärken der Okklusionsonlays aus Lithiumdisilikat sollten okklusal zurzeit 1 mm nicht unterschreiten. Ob es auch dort noch „dünner“ funktioniert, wird sich zeigen.
  • Kontraindiziert sind Okklusionsonlays, wenn biokorrosive Einflüsse weiterhin auf die behandelten Zähne einwirken, denn es bleibt bei dieser Technik ein erheblicher Anteil der natürlichen Zahnhartsubstanz ungeschützt. Bruxismus ist schwer nachweisbar und schon allein daher nicht unbedingt eine Kontraindikation.
  • Für die Präparation von Okklusionsonlays sollte weniger invasiv und im Kauflächenbereich „runder“ präpariert werden. Mit speziellen Präparationsinstrumenten und einem klaren Präparationskonzept funktioniert das sehr gut.
  • Noch sind Vorbehalte gegenüber dieser neuen minimalinvasiven Behandlungstechnik verbreitet. Mit entsprechender Fortbildung wird sich das ändern.
  • Okklusionsonlays werden absehbar einen festen Platz in der restaurativen Zahnheilkunde erhalten. Denn der Bedarf wird aufgrund der erhöhten Inzidenz von Zahnverschleiß steigen.

Die Experten

PD Dr. M. Oliver Ahlers
studierte Zahnmedizin in Hamburg und hat sich bereits 1992 auf die Funktionsdiagnostik spezialisiert, 2005 Gründung u. zahnärztliche Leitung des CMD-Centrums Hamburg-Eppendorf.
oliver.ahlers@cmd-centrum.de

Prof. Dr. Daniel Edelhoff
studierte Zahnheilkunde in Aachen und ist seit 2014 Direktor der Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik am Universitätsklinikum München, seit 2016 Präsident der AG Dentale Technologie (ADT).
Daniel.Edelhoff@med.uni-muenchen.de

Antje Meier
studierte Betriebswirtschaftslehre und ist seit 2002 Produktmanagerin für den Bereich Kons & Prothetik bei Komet Dental in Lemgo.
antjemeier@kometdental.de